Oberbürgermeister Frank Baranowski zur Einbringung des Haushaltsentwurfs 2020
Rede vor dem Rat der Stadt am 29. August 2019 - Es gilt das gesprochene Wort
29. August 2019, 16:07 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Meine sehr geehrten Damen und Herren Stadtverordnete, meine sehr geehrten Damen und Herren im Publikum,
wir haben uns dran gewöhnt, das zweite Sitzungs-Halbjahr so zu beginnen: Mit einer Sitzung, bei der wir lediglich den Haushalt für das kommende Jahr einbringen. Wobei das Wort „lediglich“ nur den Umfang der Tagesordnung beschreibt, nicht den des Haushaltsentwurfes.
An etwas anderes, das seit Kurzem mit der Haushaltseinbringung verbunden ist, haben wir uns noch nicht gewöhnt. Ich persönlich wäre wohl bereit dazu, viele von Ihnen auch. Wobei es vielleicht aber ganz gut ist, wenn wir uns nicht zu sehr gewöhnen. Wenn wir weiter nicht davon ausgehen, dass es da einen Automatismus gibt. Denn das gibt es nicht und wird es so bald nicht geben.
Die wohl wichtigste Zahl unter so vielen im vorliegenden Paket, auf die gibt es kein Anrecht, die musste erarbeitet werden – und sie wurde erarbeitet. Nur darum kann ich nun hier bei der Haushaltseinbringung diesen schönen Satz sagen, zum dritten Mal in Folge: Wir planen für das kommende Jahr erneut und abermals einen ausgeglichenen Haushalt!
Was beim ersten Mal, vor zwei Jahren, bei der Planung für das Haushaltsjahr 2018, noch als mutmaßlich einzigartige Ausnahme empfunden wurde, als Ausreißer aus einer langen, bis tief in die 1980er reichenden Serie an Haushalten, teilweise mit hoher Neuverschuldung – das ist kein einmaliges Ereignis geblieben. Der Haushaltsausgleich – er geht in Gelsenkirchen in Serie! Und mit jeder weiteren Folge dieser Serie verbessern wir die Handlungsfähigkeit unserer Stadt – nach 2018 und 2019 auch 2020!
Ein hervorragender Abschluss dieser Wahlperiode.
Und weil wir heute den letzten Haushalt einbringen, über den dieser Rat der Stadt Gelsenkirchen diskutieren und beschließen wird, der 14. Rat der Stadt Gelsenkirchen– da will ich auch das hinzufügen: Wir haben uns eine hervorragende Chance erarbeitet, einen richtig guten Abschluss hinzulegen – ein Jahr vor Ende der Wahlzeit. Und das ist sicher eine sehr gute Nachricht!
Zu erwarten war das ja nicht. Auch wenn dies der Fahrplan des Stärkungspaktes war, so war uns doch allen klar, dass das mehr als ehrgeizig war. Denn vergessen wir nicht, wo wir herkommen. Bis zur Einführung des Stärkungspaktes war es so, dass wir stets darum ringen mussten, einen genehmigungsfähigen Haushalt hinzubekommen; die Gespräche mit Münster zogen sich oft noch weit ins Haushaltsjahr. Dann, mit dem Stärkungspakt, hatten wir Jahr für Jahr die Sorge: Kriegen wir das hin? Kommen wir wirklich auf den Pfad, der uns in Richtung Haushaltsausgleich führt? Ist das überhaupt realistisch? Entgleist uns das nicht früher oder später sowieso?
Heute stellen wir fest: Das war vielleicht nicht realistisch, das war wagemutig – aber es ist uns nicht entgleist. Wir haben es hingekriegt. Wir haben es hingekriegt, Jahr für Jahr und nun fast schon auf der gesamten Strecke!
Wir haben es hingekriegt, weil wir uns angestrengt, weil wir uns gestreckt haben. Und auch, weil wir konsequent und langfristig unserem Weg gefolgt sind – ohne in Aktionismus zu verfallen und uns in Einzelprojekten zu verzetteln!
Wir haben es hingekriegt, das muss man deutlich sagen, obwohl sehr viel dagegen sprach. Obwohl es erhebliche Herausforderungen gab, die 2014 nicht mal absehbar waren. Nehmen wir die Ankunft der Flüchtlinge 2015, die uns keine Regierung und keine Nachrichtenagentur der Welt angekündigt hatte. Viel wurde seitdem über den Herbst 2015 diskutiert. Aber aus Gelsenkirchener Sicht können wir festhalten: Die Anforderungen, die diese Zeit an uns gestellt hat, die haben wir bewältigt – und zwar richtig gut! In einer Art und Weise, die vielen Kommunen nicht gelungen ist. Man musste nur von der Katernberger Straße aus ein paar hundert Meter weiter westlich fahren, um ein ganz anderes Bild zu erhalten!
Davon unbenommen bleibt Integration natürlich auch in Gelsenkirchen eine Herausforderung, für die wir uns weiter einsetzen müssen – und Hilfe brauchen.
Wir haben unser Ziel, den Haushaltsausgleich zum Ende dieser Wahlperiode, hingekriegt, auch trotz der Zuwanderung aus Südosteuropa, trotz all der Aufmerksamkeit und all der Arbeit, die diese Form der Zuwanderung uns abverlangt, die uns ebenfalls keine Statistikbehörde vorhergesagt hatten – und für die es nach wie vor nahezu keine finanzielle Unterstützung von Land oder Bund gibt!
Und wenn ich das jetzt so schildere – wobei Sie vermutlich einen gewissen Stolz raushören, Stolz auf die Leistungen der Stadtverwaltung, auf die Haltung der Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener, auf die Bereitschaft, sich diesen Herausforderungen zu stellen und passende Antworten zu finden – so ich muss doch bekennen, dass ich eigentlich gar keinen Wert auf diese Kraftproben lege. Nein, ich habe kein Interesse daran, dass der Kraftakt zum dauerhaften Modus wird! Und ich bin nicht bereit, mich damit abzufinden, dass solche gesamtgesellschaftliche Aufgaben einfach den Kommunen aufgebürdet werden, mit dem Risiko der potenziellen Überforderung – und eine Stadt wie Gelsenkirchen damit teilweise allein gelassen wird! Das kann und darf nicht sein – und dafür werde ich mich auch einsetzen!
Unser ehrgeiziges Erneuerungsprogramm.
Aber dennoch, trotz dieser Aufgaben, trotz der vielfältigen und immer neuen Belastungen – dennoch haben wir unsere Haushaltsziele erreicht. Und was noch besser ist: Wir haben es nicht nur hinbekommen, indem wir die von außen kommenden Herausforderungen gemeistert haben. Sondern, viel spannender: Wir haben es hingekriegt, weil wir weiter unserem eigenen Entwicklungspfad gefolgt sind!
Wir haben es hingekriegt, gerade eben weil wir keine freiwilligen Leistungen zur Disposition gestellt haben. Weil wir uns nicht für Rückbau entschieden haben, sondern für die nötigen, für die vernünftigen, die richtigen Investitionen. Wir haben uns – was augenscheinlich auf lange Sicht dem Haushalt zugutekommt – für Investitionen entschieden. Für Investitionen in tragfähige Strukturen, die dauerhaften Nutzen versprechen. Wir haben, um es auf einen Punkt zu bringen, unser Gelsenkirchener Erneuerungsprogramm fortgesetzt – mit Augenmaß und Mut!
Deshalb haben wir auch auf dem Weg zu diesem Haushaltsausgleich investiert, soweit wir es konnten – in Straßen, Gebäude, Menschen. Wir waren, auch das will ich nicht unerwähnt lassen, denn es ist sehr wichtig: Wir waren verlässlicher Partner der sozialen Initiativen, Vereine und freien Träger; der Organisationen, die so wertvoll sind für unser Zusammenleben, für den Zusammenhalt unserer Stadtgesellschaft!
Darum haben wir in den zurückliegenden acht Jahren, um nur mal eines der großen Zukunftsthemen zu nennen, in Gelsenkirchen mehr als 400 Kilometer Glasfaser verlegt. Wir haben nicht auf den Konzern gewartet, der das irgendwann macht, so wie das etliche Städte und Landkreise getan haben – und die noch immer da sitzen und warten.
Wir haben im Unterschied dazu unser Schicksal in die eigenen Hände genommen – und damit die Basis gelegt für eine gute digitale Zukunft! Dafür, dass Gelsenkirchen bei der Entwicklung, die die Zukunft unserer Wirtschaft und unserer Arbeitswelt prägen wird, ganz vorne mit dabei ist! Und das sind wir, das ist die digitale Modellstadt natürlich! Und wir machen weiter: Bis Ende 2020 werden über 100 Straßenbahnen und 500 Busse der Bogestra und der Vestischen Straßenbahnen freies WLAN haben – um nur das nächste Vorhaben zu nennen.
Wir haben – Stichwort Zukunft – in frühe Betreuung und gute Bildung investiert, in unsere Präventionskette, aber auch in Einrichtungen. Wir haben im vergangenen Jahrzehnt 14 neue Kitas errichtet, dazu 17 durch Anbauten erweitert, andere wiederum durch Dependancen ergänzt. Wir haben in diesem Jahrzehnt das Angebot an Betreuungsplätzen kräftig erhöht: von 7.692 im Kindergartenjahr 2009/2010 auf 9.086 im beginnenden, ein Zuwachs also von rund 1.400 Plätze.n Was unter uns gesagt eine enorme Leistung ist, weil es sich dabei ja auch noch um qualitativ hochwertige Plätze handelt!
Und auch hier darf man daran erinnern, wo wir herkommen: Rund um 2010 galt Gelsenkirchen ja noch den Landesbehörden und Statistikern als schrumpfende Stadt; man meinte, uns Rückbau verordnen zu müssen, auf nahezu allen Handlungsfeldern. Und dann diese bemerkenswerte Trendwende, so dass inzwischen von Schrumpfen überhaupt keine Rede mehr ist!
Im jetzt anlaufenden Kindergartenjahr nehmen gleich vier neue Kitas den Betrieb auf, die Kitas in der Olgastraße, der Freytagstraße, Am Bovengarten und in der Blumenstraße. Und für 2020/21 sind dann erneut drei zusätzliche Kitas geplant, auch Erweiterungen wird es wieder geben. Wir schaffen bis 2021 weitere 555 Betreuungsplätze – und ich frage Sie: Können Sie sich eine schönere Zukunftsinvestition vorstellen?
Kita-Kinder wechseln bald auf die Schule, darum auch zu den Schulen ein paar Sätze: Genauso wie meine Vorgänger habe ich Wert darauf gelegt, dass wir in Gelsenkirchen gute Schulen haben. Bei uns gibt es keine Schulen, wo nackte Glühbirnen von der Decke baumeln. Gelsenkirchener Schulleiterinnen und Schulleiter bestätigen das immer wieder – fragen Sie gerne mal nach: Unsere Schulen sind weit überwiegend sehr ordentlich ausgestattet!
Bald werden sie noch besser ausgestattet sein: Jede Gelsenkirchener Schule, die es will, wird ab 2020 Whiteboards haben! Worüber Bund und Länder beim Digitalpakt streiten, was zeitweise das große Thema in Berlin war, wozu der Bund ein Milliarden-Programm auflegt – das haben wir bereits. Warum? Eben deshalb: Weil wir konsequent die wichtigen Zukunftsthemen umsetzen!
Wobei ich zum Thema Digitalpakt hinzufügen will: Natürlich erwarte ich, dass auch wir Geld aus diesem Paket bekommen, denn es kann ja nicht sein, dass wir wieder mal bestraft werden dafür, dass wir vorausschauender und schneller sind als andere!
Der Ausbau unserer Schulkapazitäten ist 2020 eine Pflichtaufgabe, die nötig wurde, nachdem wir noch 2013 vom Land gedrängt wurden, Schulen zu schließen und zu verkleinern. Wir haben dem Land immer wieder gesagt: Wir halten diesen Rückbau für falsch. Denn wir wissen nur zu gut, dass es leicht ist, Einrichtungen zu schließen, aber schwierig, neue aufzubauen.
Nun ist man nicht immer froh, wenn man Recht behält. Aber so ist es gekommen. Auch deshalb fließen jetzt mehr als 130 Millionen Euro in die Sanierung und Erweiterung von Schulen. Und wir bauen nicht nur wieder neu auf, sondern wir machen auch einen Neuaufschlag – für den neuen Bildungsbedarf. Wir werden eine ganz neue Schule auf dem Schalker Verein entstehen lassen, eine Schule mit einem neuen Profil, dem einer Kulturschule. Was ein besonderer Moment für unsere Stadt ist, denn es ist ja schon eine echte Ausnahme, dass wir nicht nur eine Schule umwandeln oder weiterentwickeln – sondern sie neu aufs Gleis setzen. Darum eine Frage für Experten: Wann haben wir im Schulbereich zuletzt so ganz neu und von Grund auf Zukunft entworfen?
Ehe Sie nun die Angehörigen des Bildungsausschusses löchern: Das ist ziemlich genau 40 Jahre her, und es war die Gerhart-Hauptmann-Realschule. Der Baubeginn war im September 1979. Es handelt sich also um eine Schule, die inzwischen in einer anderen aufgegangen ist, in der Gesamtschule Erle – so lange ist das her.
Und da wir gerade bei den Investitionen sind: Wir haben im vergangenen Jahr über Schwimmbäder gesprochen, über eine ganz und gar freiwillige kommunale Leistung – ein Prozess, dem ich gerne auf der Zielgeraden noch einmal eine Richtung gegeben habe. Und ja, am Ende sind wir zu einem Votum für das Schwimmen gekommen, für öffentliche Infrastruktur, für eine gute Daseinsvorsorge! Und ich freue ich mich darauf, mit Ihnen im kommenden Jahr die nächsten Schritte auf diesem Weg zu gestalten!
Und noch eine andere freiwillige Leistung, bei dem die Zeichen ebenfalls nicht auf Rückschritt stehen: Wir haben den Vertrag mit dem Intendanten unseres Musiktheaters verlängert, wir blicken zurück auf eine äußert erfolgreiche Zeit mit unserer Ballettdirektorin, die unserer Stadt viel positive Aufmerksamkeit gebracht hat – und voraus auf eine spannende Zeit mit dem neuen Tanz-Direktor Giuseppe Spota!
Ein letzter Punkt noch, um zu verdeutlichen, in welchem Rahmen wir auf die schwarze Null zugesteuert sind: Dies ist die erste Wahlperiode, die wir zur Gänze im Hans-Sachs-Haus verbracht und gearbeitet haben, in diesem Ratssaal. In einem Haus, das nicht wenig Geld gekostet hat. Das es aber wert war. Denn es zeigt, dass die lokale Demokratie in Gelsenkirchen einen würdigen Ort hat. Und dass sie sich nicht klein machen muss!
Sich nicht kleinmachen.
Vielleicht ist das, meine Damen und Herren, sogar ein ganz entscheidendes Stichwort – für Gelsenkirchen, für unsere städtische Politik, für den Haushalt 2020. Dass wir uns nicht kleinmachen lassen. Nicht von den Herausforderungen und Schwierigkeiten, von den Ereignissen und Aufgeregtheiten, die manchmal im Tagesrhythmus über uns hereinbrechen.
Der Erfolg der vergangenen Jahre – dass wir beides konnten, Investieren und doch den Haushalt ausgleichen – der hat natürlich etwas damit zu tun, dass es günstige Rahmenbedingungen gab. Die Steuereinnahmen von Bund und Ländern waren besser als erwartet. Es gab ein langes Konjunkturhoch. Davon haben auch wir profitiert. Ich wäre der Letzte, der das abstreitet.
Aber wenn man das sieht, dann muss man auch Folgendes wahrnehmen: Das war kein Selbstläufer. Auch dafür haben wir uns lang machen müssen. In Düsseldorf und Berlin sitzt ja niemand, der Geschenke verteilt. Wir haben gezielt Einfluss genommen. Mit viel Geduld, mit Hartnäckigkeit, mit der Bereitschaft, unsere Forderungen prägnant zu formulieren und sie wieder und wieder vorzutragen. Und vor allem mit dem Selbstbewusstsein, dass wir auf dieser Ebene auch etwas zu sagen haben. Weil wir eben nicht bereit sind, uns kleinzumachen!
Und das zeigt Wirkung. Insbesondere den sozialen Arbeitsmarkt gäbe es nicht ohne den Gelsenkirchener Einsatz – ohne den gemeinsamen Einsatz fast der gesamten Gelsenkirchener Stadtgesellschaft, für den ich noch einmal allen, die mitgeholfen haben, meinen Dank aussprechen möchte. Von diesem Programm profitieren heute etliche Kommunen, nicht nur wir – aber eben auch wir. Und in der Tat, wir profitieren: Zusätzlich zu den Teilnehmern zum Programmbeginn haben wir es jetzt noch einmal für weitere 200 Langzeitarbeitslose geöffnet, was ebenfalls eine gute Nachricht ist. Denn es gab ja keine Garantien, dass das Programm funktioniert. Dass die Frauen und Männer, die wir ansprechen, wirklich mit diesem Angebot etwas anfangen können, darin einen Sinn für sich erkennen und eine Motivation daraus ziehen. Aber sie können es, jedenfalls die Mehrheit der von uns angesprochenen Kandidaten kann es. Und das muss uns freuen, für jeden einzelnen Beteiligten!
Und unser Einsatz für eine bessere Einnahmeseite zieht sich weiter. Ich kann den Stärkungspakt nennen, die Eingliederungshilfe, das Programm Gute Schule 2020, das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz 1 und 2 – all das hat unseren Haushalten in den vergangenen Jahren Luft verschafft, Luft zum Atmen. Zumal wir sämtliche Mittel dieser Programme abgerufen haben – oder noch abrufen werden.
Und ja, diese Maßnahmen hätte es nicht gegeben ohne den vehementen Einsatz der Städte, nicht zuletzt auch der Stadt Gelsenkirchen! Allerdings sage ich auch: Diese Mittel wären noch besser verwendet, wenn Bund und Land sich für eine dauerhaft auskömmliche und angemessene Finanzausstattung einsetzen würden – statt mit einmaligen Sonderprogrammen Löcher zu stopfen!
Darum werden wir diesen Einsatz, diese direkte Ansprache weiterführen, und ich werde weiter auf strukturelle Lösungen drängen. Vor drei Wochen habe ich mit dem Bundesfinanzminister über die Altschulden-Problematik gesprochen; vor einigen Monaten haben Olaf Scholz und ich uns zum Thema Kosten der Unterkunft ausgetauscht. Bei beiden Themen gibt es noch keinen Durchbruch, aber immerhin klare Signale, dass sich etwas bewegen kann. Und darum verspreche ich Ihnen: Ich werde in dieser Frage nicht locker lassen! In dieser Frage arbeite ich gerne mit anderen zusammen, natürlich mit den anderen Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern, aber auch sehr gerne mit der Kommunalministerin. Wobei ich es allerdings so halte, dass ich mit potenziellen Partnern zunächst rede, ehe ich öffentliche Briefe verfasse…
Ich werde nicht locker lassen, denn es bleibt ja dabei, trotz der gegenwärtig recht guten Haushaltsjahre: Die Kommunen sind strukturell unterfinanziert, sie haben zu wenige Mittel an der Hand, um ihre Aufgaben zu erfüllen! Und auch wir, obwohl wir investieren konnten und können, auch wir müssen immer wieder zahlreiche wichtige Anliegen zurückstellen. Das zeigt sich bei vielen kleinen Aufgaben, leider aber auch bei größeren Vorhaben. Um nur ein – allerdings wichtiges – Beispiel zu nennen: Wir haben den Stadtteil Schalke-Nord längst schon dem Landesbauministerium als potenzielles Stadterneuerungsgebiet vorgeschlagen – für eine zweite Runde, die leider nötig ist. Aber wir haben vorerst die Absage bekommen, mit dem Hinweis, dass wir doch erst einmal ein anderes Erneuerungsprojekt abschließen sollten.
Das ist bedauerlich, und das ist den Bürgerinnen und Bürgern schwer zu vermitteln. So, auf diese Art, entsteht etwas, was man Investitionsstau nennen muss. Wobei wir versuchen, damit möglichst gut umzugehen und dennoch ins Handeln zu kommen. In Schalke-Nord werden wir, entgegen dem üblichen Procedere, schon vorab ein Integriertes Handlungskonzept erstellen, mit eigenen Ressourcen. Wir werden ohne Fördermittel tätig, wir ziehen auch kein externes Planungsbüro heran, was den Vorteil hat, dass wir schon Anfang des kommenden Jahres mit der Bürgerbeteiligung starten können. Und wir können die Pläne für Schalke-Nord mit den Plänen abstimmen und verzahnen, die wir für die IGA entwerfen – einem weiteren unserer großen Zukunftsprojekte.
Aber obwohl wir hier nun einen Weg finden, muss man schon sagen: Bedarfsgerecht ist das nicht. Doch weil ich jetzt nicht mit dem Finger allein auf das Düsseldorfer Bauministerium zeigen will, zitiere ich lieber Professor Jens Südekum von der Uni Düsseldorf, der mit Ökonomen des Instituts der Deutschen Wirtschaft gerade eine Studie zu den Kommunalfinanzen erstellt hat, die Ihnen sicher auch aufgefallen ist – und der auf den Kern des Problems zu sprechen kommt:
„Systematische Fehlentwicklungen im Bereich der Kommunalfinanzen haben über Jahrzehnte hinweg einen riesigen Investitionsstau anschwellen lassen“, schreibt Südekum. Und fügt hinzu, was ich sofort unterschreiben würde: Um das Problem zu lösen, reicht ein einmaliges Sonderprogramm nicht aus. Die Kommunen im Ruhrgebiet müssen langfristig und grundsätzlich finanziell ertüchtigt werden!
Übrigens regen die Studienautoren auch an, über Hochschul-Neugründungen nachzudenken, um einzelnen Regionen starke und nachhaltige Impulse zu setzen. Eine Analyse, die sich so liest, als sei sie exakt auf unseren Vorschlag gemünzt: die Gründung einer Universität an der Emscher.
Es gibt also von Seiten der Forschung Rückenwind für das, wofür ich mich schon länger einsetzen – und vielleicht lassen sich mit diesem Rückenwind auch noch weitere Fortschritte erreichen. Fortschritte, die mit dazu beitragen, dass wir auf Dauer stabile Haushalte haben – und weiter in unsere Stadt investieren können! Damit wir den Weg, den wir derzeit solide, mit kleinen bis mittelgroßen Schritten gehen, künftig sogar noch mit etwas größeren Schritten gehen können!
Wir setzen neue Akzente.
Meine Damen und Herren,
mit dem Haushalt 2020 führen wir etliche längere Linien fort. Wir setzen dabei aber auch inhaltlich einige neue Prioritäten. Wir konturieren bestehende Schwerpunkte noch klarer. Wir platzieren neue Akzente. Und formulieren mit diesem Haushalt Antworten auf große Zukunftsfragen – Sicherheit und Ordnung, Mobilität und Klima, Wohnen und Digitalisierung.
Fangen wir an bei Sicherheit und Ordnung: Wir haben da schon jetzt mehr getan als lediglich einen neuen Akzent gesetzt. Sie haben es mitbekommen: Die neue Leitstelle, die wir geschaffen haben, sorgt für erhebliche Verbesserungen. Sie sorgt für eine bessere Erreichbarkeit der Stadt für die Bürgerinnen und Bürger und ihre Anliegen, in der ersten Stufe von 7:00 bis 18:00 Uhr, bald sogar von 6:00 bis 20:00 Uhr. Und sie verbessert Abläufe. Sie steuert den Einsatz sowohl der Verkehrsüberwachung wie auch des Kommunalen Ordnungsdienst – weil beides zusammengehört!
Sie erkennen hier wieder einmal: Wir haben keinen Aktionismus betrieben, sondern eine dauerhafte Lösung entwickelt. Wir verschaffen, und das ist mir sehr wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern einen sicheren Weg, jederzeit bei ihrer Stadtverwaltung Gehör zu finden. Und wir hören zu – von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang!
Wir haben den Kommunalen Ordnungsdienst bereits mehrfach ausgebaut und werden das noch einmal tun – mit 15 zusätzlichen Dienstkräften: fünf im kommenden Jahr, und dann nochmals zehn in 2021. 2007 wurde der Ordnungsdienst von mir ins Leben gerufen – daran erinnere ich gerne, denn heute scheint der KOD ja inzwischen sehr viele Freunde und auch Erfinder zu haben. 2007 starteten wir mit sechs Kräften – bald werden es sieben Mal so viele sein, bald werden es 50 sein!
Für diesen Ausbau werden wir 2020 rund 300.000 Euro veranschlagen – und 2021 sogar 1,28 Millionen Euro. Und das ist schon ein starker Akzent, den wir da setzen – und den man auch auf den Straßen merken wird!
Womit wir beim zweiten Thema sind: Ein Akzent wird natürlich auch auf dem Thema Mobilität liegen. Wir nehmen seit einiger Zeit sich teilweise rasant wandelnde Wünsche und Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger wahr. Dem kommen wir entgegen.
Wir kommen dem entgegen, indem wir den ÖPNV ausweiten – soweit, wie es in unserer Macht steht. Soweit es möglich ist, wenn es keine massive Unterstützung von Land und Bund gibt. Die Themen Mobilität und ÖPNV wären ja eigentlich wunderbare Möglichkeiten, um das Ruhrgebiet besser zu verbinden. Wenn die Landesregierung einen großen Wurf für das Ruhrgebiet wünschen sollte – den Eindruck erweckt sie ja immer mal wieder mit dem Schlagwort „Ruhrkonferenz“ – dann wäre dies in meinen Augen das passende Vorhaben. Oder natürlich, Sie ahnen es, eine Universität an der Emscher. Aber so stark scheint der Mut dann doch nicht zu sein. Weder für das eine noch für das andere – und das ist sehr schade, denn der Moment wäre jetzt sehr günstig.
Also handeln wir auf eigene Rechnung, im Rahmen des Möglichen: Wir verdichten den Takt von Bussen und Bahnen, an mehreren Stellen. Wir stellen pro Jahr über zwei Millionen Euro nur für Taktverdichtungen ein, wovon der Löwenanteil – wie Sie wissen – auf den 7,5-Minutentakt der Linien 301 und 302 entfällt. Auf die Linien, die den Stadtnorden und Stadtsüden verbinden – und die den Straßenverkehr auf der Kurt-Schumacher-Straße entlasten sollen. Wir haben, um E-Mobilität auf dem Stadtgebiet attraktiver zu machen, die Bevorzugung von E-Autos beim Parken eingeführt. Und wir werden die Radwegeplanung sehr ernsthaft in den Blick nehmen. Unser Ziel ist in eine erkennbare, substanzielle Verbesserung in zwei Jahren – wobei der Schutzstreifen auf der De-la-Chevallerie-Straße nur den Anfang markiert.
Das ist noch nicht die Verkehrswende, aber es ist ein Anfang. Und um aus diesem Anfang heraus eine möglichst gute Geschichte zu machen, um den Übergang zur neuen Mobilität systematisch zu gestalten, erstellen wir ab dem kommenden Jahr mit intensiver Bürgerbeteiligung einen Masterplan Mobilität. Denn die entscheidende Frage lautet ja: Was wollen die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener?
Eng mit dem Thema Mobilität verbunden ist der Klimaschutz. Auch da wird 2020 ein Jahr, mit dem wir weit in die Zukunft hinausgreifen: Wir erarbeiten ein neues Klimaschutzkonzept, ein Konzept mit der doppelten Zielmarke 2030 und 2050, wobei wir in unserer Stadt bis 2050 klimaneutral sein wollen. Auch das erstellen wir in enger Zusammenarbeit mit der Stadtgesellschaft, in einem großen Dialog – denn dieses Thema geht uns alle an. Wir brauchen den Beitrag von fast jedem, von Einzelpersonen, Verwaltung und Unternehmen!
Und vielleicht kann man es auch so sagen: Wenn jemandem die Visionen in der Politik fehlen sollten – dann haben wir hier eine im Angebot: Die einstige Kohlestadt Gelsenkirchen, die größte Bergbaustadt Europas – sie wird von 2050 an CO2-frei!
Bei solchen Visionen werden die täglichen Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger nicht übersehen. Kaum eines ist so wichtig wie das Thema „Wohnen“. Für Gelsenkirchen gilt da: Was in anderen Städten zusehends zum Problem wird und Menschen wirklich vor schwere Entscheidungen stellt, was gerade jungen Familien Stress verursacht – das Wohnen in der Stadt, in innenstadtnahen Bereichen – das ist bei uns sehr gut möglich. Ausruhen werden wir uns darauf allerdings nicht. Wir arbeiten daran, das Angebot weiter zu verbessern – auch über Widerstände hinweg, wie etwa die Herabstufung der Mietstufen, mit dem das Land die Förderung des öffentlichen Wohnungsbaus reduziert hat.
Wir haben neue Wohngebiete entwickelt, die auf große Nachfrage gestoßen sind, der Waldbogen, Graf Bismarck, die Rheinische Straße. Die ggw investiert massiv in barrierefreie Wohnungen. Darüber hinaus nehmen wir auch dieses Thema noch einmal neu und grundsätzlich in den Blick: Wir erarbeiten ein Handlungskonzept, das den Fahrplan für die nächsten Jahren darstellen soll – mit der klaren Richtung: Wir kümmern uns darum, dass man in Gelsenkirchen künftig gut wohnen kann – und das in jeder Lebenslage!
Und das Gleiche soll natürlich auch für das ebenso wichtige Thema „Arbeiten“ gelten. Nachdem wir in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Neuansiedlungen zu vermelden hatten, sind es in diesem Sommer vor allem die Investitions-Ankündigungen von ansässigen Unternehmen, die beeindrucken. Ankündigungen von Unternehmen, die am Standort Gelsenkirchen tätig sind, sich zu ihm bekennen – und weiter Arbeitsplätze sichern. Satte 45 Millionen Euro wird BP rund um den Stadthafen investieren und damit seine Präsenz am Standort stärken. Medicos Auf Schalke wird sein ambulantes Reha- und Gesundheitszentrum erweitern, mit einem Investitionsvolumen von gut 14 Millionen Euro. Wobei in der unmittelbaren Nähe noch ein weiterer Hotel-Bau entsteht, ein Hotel der Marke Hampton by Hilton, was vor allem eines zeigt: Unsere Stadt wird attraktiver für Besucherinnen und Besucher.
Solche Ankündigungen, von denen ich nur drei Beispiele genannt habe, solche Ankündigungen werden künftig wohl noch häufiger, wenn wir die Vernetzte Stadt weiterentwickeln, wenn wir aus der Startphase in die nächsten Phasen gelangen. Wir haben als digitale Modellkommune schon jetzt sieben bewilligte Förderprojekte laufen, darunter ein großes wie die Erstellung der Bürger-ID durch ein Gelsenkirchener Start-up – und wir haben noch elf weitere Projekte in der Pipeline.
Schluss
Meine Damen und Herren,
ich denke, es ist offenkundig: Wir haben noch viel vor. Wir wollen 2020 und in den folgenden Jahren viel bewegen in unserer Stadt – und wir wissen auch sehr gut: Wir können in Gelsenkirchen auch noch vieles bewegen. An Ideen mangelt es uns nicht, ich habe ja zumindest ein paar in den Bereichen Bildung und Schule, Wirtschaft und Arbeit, Verkehr und Klimaschutz skizziert.
Wir haben aber auch, und das gehört zum Gesamtbild zwingend mit dazu, schon viel geschafft. Wir haben auf dem Weg in das neue Jahrzehnt, in die 2020er-Jahre, die da kommen werden, einige richtig große Brocken aus dem Weg geräumt. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, und zwar gründlich. Wir haben in den zurückliegenden Jahren enorme Aufbau-Arbeit geleistet, Flächen erschlossen, Wunden des Strukturwandels geschlossen, Unternehmen angesiedelt, die Bildungs- und Lebenschancen von jungen Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchenern erheblich verbessert, uns beim großen Zukunftsthema Digitalisierung positioniert. Es ist ein Riesenprogramm, von dem wir bereits etliche Kapitel abgearbeitet haben.
Und was heute, bei der Einbringung des Haushalts 2020 besonders auffällt: Wir haben nicht nur Grundlagenarbeit geleistet, wir haben auch unsere finanzielle Situation in einer Art und Weise verbessert, die selbst Optimisten nicht für möglich gehalten hätten. Nicht mal, so blumig kann und muss man es sagen: nicht mal im Traum.
Wer 2010 gesagt hätte, dass die letzten drei Haushalte dieser Wahlperiode alle mit einem Ausgleich geplant werden können – seien wir ehrlich: Der hätte in diesem Gremium kaum Gehör gefunden. Zu Recht. Doch genauso ist es gekommen. Genau das haben wir geschafft, ohne dabei nur im Geringsten die Erneuerung unserer Stadt zu vernachlässigen!
Wir haben einen Pfad erschlossen, der Investitionen und solide Finanzen verbindet. Einen Pfad, der unsere Stadt, der Gelsenkirchen in eine gute Zukunft führen kann – und das auch wird, wenn wir ihn denn weiter beschreiten. Einen Pfad, auf dem wir weiter vorwärts gelangen können – selbst dann, wenn neue Herausforderungen dazu kommen sollten – was ich ebenso wenig hoffe wie Sie, aber nicht ausschließen kann.
Es ist ein Pfad, der den Menschen dieser Stadt gerecht wird, die ja – das zeigt sich immer wieder – ein sehr realistisches Verhältnis zu ihrer Stadt haben, die hier gern leben und die sich vielfach für ihr Gelsenkirchen einsetzen. Und die es verdient haben, dass wir – nach einigen sicherlich auch schwierigen Jahren – nun die Chancen wahrnehmen, die wir uns selbst erarbeitet haben!
Ich möchte Sie einladen, das zu tun!