07. November 2022, 23:28 Uhr | Sparkasse Gelsenkirchen
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Von links nach rechts: Dr. Jochen Grütters, Katja Venghaus, Michael Hottinger, Martin Westrich. Bildrechte: S-Private Banking Gelsenkirchen GmbH
Hohe Energiepreise und Inflation belasten die Wirtschaft in der Emscher-Lippe-Region massiv. Die Folge: So pessimistisch wie derzeit zeigten sich die Unternehmen der Region zuletzt während der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise Anfang 2009. Nur zum Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 war die Stimmung schlechter. Das verdeutlicht eine aktuelle Umfrage unter 150 heimischen Unternehmen für den „Emscher-Lippe-Index“ (ELIX).
Pessimismus macht sich breit
„Der Russland-Ukraine-Krieg trifft die Wirtschaft in der Emscher-Lippe-Region mit voller Wucht. Im Herbst 2022 werden die gesamtwirtschaftlichen Folgen immer deutlicher spürbar,“ berichtet Michael Hottinger, Geschäftsführer der S-Private Banking Gelsenkirchen GmbH, die den ELIX in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen herausgibt. „Enorme wirtschaftliche Belastungen – vor allem durch die explodierenden Energiepreise – lassen den ELIX auf 73 Punkte einbrechen und damit auf ein Niveau sinken wie schon zur Finanzkrise 2008/2009“, konstatierte Dr. Jochen Grütters, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Leiter des Standorts Emscher-Lippe der IHK Nord Westfalen in Gelsenkirchen. „Die Lage spitzt sich weiter zu. Nachdem die Corona-Pandemie an den finanziellen Kräften gezerrt hat, könnte sich die aktuelle Energiekrise zum existenziellen Problem auswachsen“, fügte Dr. Grütters hinzu. So ist der Anteil der Betriebe, die von einer unproblematischen Finanzlage berichten, im Jahresverlauf von 76 auf 60 Prozent gesunken.
Erwartungen deutlich schlechter als aktuelle Lagebeurteilung
Insgesamt bewerten rund 83 Prozent der Unternehmen in der Emscher-Lippe-Region ihre aktuelle Geschäftslage mit gut oder befriedigend. Zu Jahresbeginn waren es noch knapp 90 Prozent, im Frühjahr 94 Prozent. Von schlechten Geschäften berichten aktuell aber lediglich rund 17 Prozent. Stark eingebrochen sind hingegen die Erwartungen: Mehr als jeder zweite Betrieb (58 Prozent) schaut pessimistisch in die wirtschaftliche Zukunft. Das sah im Frühjahr 2022 noch anders aus: Zu diesem Zeitpunkt rechneten nur 45 Prozent Befragten mit einer Verschlechterung der Geschäftslage, zum Jahresbeginn war es sogar nur 12 Prozent.
Größte Risiken: Energiepreise und Inflation
Die explodierenden Energiepreise und die historisch hohe Inflation belasten die heimischen Unternehmen stark. Sie stehen an erster Stelle der konjunkturellen Risiken (81 Prozent der Nennungen). Dies wiegt umso schwerer in einer Region mit einem hohen Anteil energieintensiver Branchen. Allein die Chemische Industrie stellt rund 11.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. „Auch die gegenwärtigen Lieferprobleme sind nicht zu unterschätzen“, berichtet Martin Westrich, ebenfalls Geschäftsführer der S-Private Banking Gelsenkirchen GmbH: „Die Industrie, aber auch Handwerksbetriebe beklagen Lieferengpässe und Preissteigerungen – unter anderem bei Metallen. Der Bauindustrie machen Lieferschwierigkeiten und Kosten bei Stahl und Bitumen zu schaffen.“
Hinzu kommen die wachsenden Sorgen vor Nachfrageeinbrüchen in Folge der zu erwartenden Kaufkraftverluste (58 Prozent) und vor steigenden Arbeitskosten. „Fast drei von vier Betrieben geben Preissteigerungen an ihre Kunden weiter. 36 Prozent reagieren mit Effizienz- und Einsparmaßnahmen“, berichtet Dr. Grütters. Positiv sieht Michael Hottinger die Gaspreisdämpfung: „Sie kann in der akuten Krise helfen, ist aber keine Dauerlösung. Wir müssen weiter mit Tempo an der massiven Ausweitung des Energieangebots auf allen Ebenen arbeiten“, betont er.
Exporte rückläufig, Investitionsneigung gedämpft, Personalstand bleibt konstant
Ähnlich schwierig beurteilen die Unternehmen das außenwirtschaftliche Umfeld. Kaum ein Exporteur rechnet mit besseren Geschäften. Vielmehr stellt sich jeder Dritte auf Rückgänge in den nächsten Monaten ein. Die Investitionsneigung wird stark gedämpft: „Wenn noch investiert wird, dann dürfte es sich überwiegend um Ersatzbeschaffungen handeln“, so Martin Westrich. Angesichts der Fach- und Arbeitskräfteknappheit dürften die Unternehmen versuchen, ihren Personalstand konstant zu halten. Dies signalisierten immerhin drei Viertel der Betriebe. „Mit Neueinstellungen in großem Maßstab ist nicht zu rechnen“, so Dr. Grütters, „mit vermehrten Freistellungen glücklicherweise ebenfalls nicht.“
Über den ELIX
Zweimal im Jahr gibt die S-Private Banking Gelsenkirchen GmbH, eine hundertprozentige Tochter der Sparkasse Gelsenkirchen, gemeinsam mit der IHK Nord Westfalen den ELIX heraus, ein regionales Konjunktur- und Stimmungsbarometer für die Emscher-Lippe-Region. Datengrundlage ist eine Befragung der IHK Nord Westfalen von rund 150 repräsentativ ausgewählten Mitgliedsunternehmen zur momentanen wirtschaftlichen Lage und zu ihren Zukunftserwartungen. Die Daten des ELIX´ zeigen nicht nur eine Momentaufnahme, sondern ermöglichen auch eine Darstellung der langfristigen Trends.