Kassel, Hermann J. - Baum Dom
Skulptur,
1997
Bildrechte: Sabine Fiereck
Zum Objekt
Hermann J. Kassel gestaltete einen im Boden verwurzelten, auf 2,50 Meter gekürzten Pappelstamm, indem er ihn mit einer Reihe aus über 30 Metallstäben einfasste, die üblicherweise zur Armierung, d.h. Verstärkung von Beton verwendet werden. Die etwa sieben Meter hohen Stäbe sind über massive Ringe kreisförmig an den Pappelstamm angelegt. Durch diese Anordnung der Stahlstäbe rekonstruiert der Künstler den Baumstamm nach oben hin und erreicht mit dem „ortsfremden Material“ eine große Höhendynamik, wie sie der Pappel zu eigen ist. Das Stahlkorsett verdeutlicht im besonderen Maße das, was nicht mehr vorhanden ist. Es entstehen Kontraste wie Positiv-/Negativform, natürlich/ vom Menschen geformt, aber auch leicht/schwer. Denn der aufstrebende „Baum-Dom“ wirkt zwar leicht und luftig, jede einzelne Stange wiegt jedoch um die 40 Kilogramm.
Das obere Stück der Armierungseisen schwingt jeweils frei in der Luft, so dass sie bei Bewegung einen metallischen Klang erzeugen, der im deutlichen Kontrast zum Rascheln der Blätter steht. Heute kaum noch zu erkennen ist, dass die oberen Enden der Betonstäbe ursprünglich mit grüner Lackfarbe versehen waren. Das Grün, welches nach und nach verschwindet, sowie die rostbraune Patina korrespondieren mit den natürlichen Farben der Umgebung. Und auch die Riffelung der Stäbe stellt zur gefurchten Rinde des Baumstamms ein reizvolles Gegenüber dar.
Zum Künstler
Hermann J. Kassel stammt aus Oberhausen und lernte Bildhauerei an der Folkwangschule in Essen, an der Kunstakademie Düsseldorf und bei Sandro Antal. Er lebt und arbeitet in Köln und ist seit Ende der 1980er Jahre in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im Ruhrgebiet, Japan, New York und Afrika vertreten.
Für den Innen- wie auch Außenraum schuf Kassel bereits vielfältige Installationen aus unterschiedlichen Materialien, in denen sich oftmals ein Hang zur kinetischen Kunst zeigt. In seinen Arbeiten lotet er immer wieder die Möglichkeiten aus, die über die reine, starre Präsenz eines Kunstwerks hinausgehen und sich mit den Themen Bewegung, Wandel, Transformation, Licht und Klang auseinandersetzen
Hintergrund
Hermann J. Kassel schuf die fünfte Baumskulptur für das 1993 vom Kunstverein Gelsenkirchen ins Leben gerufene und sich seither sukzessive weiterentwickelnde Projekt „Kunst am Baum“. Wie bei der sogenannten „Kunst am Bau“ wird hier der museale Rahmen verlassen und der öffentliche Raum gesucht, um zufällige Begegnungen mit Kunst zu ermöglichen.
Als Standort für das Skulpturenprojekt wurde der Bereich des Schlossparks Berge, westlich der Adenauerallee und nördlich des Sees von Schloss Berge zur Verfügung gestellt. Dort vorhandene kranke, überalterte und verkehrsgefährdende Bäume, die ohnehin gefällt werden sollten, wurden zur künstlerischen Bearbeitung frei gegeben. So konnten unmittelbar vor Ort in der Auseinandersetzung mit dem lebenden, noch verwurzelten „Material“ und der Umgebung interessante Konzepte entstehen, die sich auf vielfältige Weise mit der Verbindung von Kunst, Mensch und Natur auseinandersetzen. Insbesondere die Vergänglichkeit des Materials und der Pflanzenwachstum im direkten Umfeld wirken in die Gestaltung mit ein. Die Baumskulpturen verändern sich fortwährend, werden Teil der Umgebung sowie natürlicher Verwitterungsprozesse und verweisen auf diesem Wege auf Werden und Vergehen der Dinge. Vorgesehen ist, dass alljährlich eine neue Skulptur hinzukommt: Anstelle einer mühevollen und letztlich nicht realisierbaren Konservierung sind für die „Kunst am Baum“ immer neue Ideen gefragt.