Gerlach, Gunther - Planetenturm
Skulptur,
2002
Bildrechte: Sabine Fiereck
Bildrechte: Sabine Fiereck
Zum Objekt
Aus einem der im Schlosspark Berge zur künstlerischen Gestaltung freigegebenen Baumstämme arbeitete der Bildhauer Gunther Gerlach zwei lange, rechteckige Blöcke zwischen denen sich fünf etwa gleichgroße Kugeln eng aneinander reihen. Die Formen der Baumskulptur scheinen nicht auf absolute Regelmäßigkeit bedacht zu sein. Zudem sind die Bearbeitungsspuren gut sichtbar, offensichtlich wurden der Skulptur sogar zusätzliche Einkerbungen und Striemen beigebracht.
Die auf geometrischen Körpern basierende Formgebung erscheint zunächst einmal abstrakt. Insbesondere die Titelgebung führt jedoch zu weiterreichenden Assoziationsmöglichkeiten. Allerdings lässt der „Planetenturm“ nicht an wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse der Astronomie und Physik denken. Statisch und gedrängt, erinnern die senkrecht wie Perlen an einer Kette aufgefädelten „Planeten“ nicht so sehr an ein Modell unseres Sonnensystems. Eine „kosmische“ Dimension erhält das Objekt vielmehr, wenn man die Kunstgeschichte der klassischen Moderne im Hinterkopf behält und das Baumobjekt als Verbeugung vor Constantin Brancusi versteht, einem der bedeutendsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Seine „Endlose Säule“, welche in ihrer monumentalsten Version (Bronze, 1937/38) eine rhomboide Form bis zu einer Höhe von 30 Metern etliche Male wiederholt, war für nachkommende Künstlergenerationen außerordentlich inspirierend. Wie in der Plastik Brancusis findet sich in der acht Meter hohen Skulptur Gerlachs die serielle Wiederholung einer abstrakten Form, durch die mit den räumlich begrenzten Möglichkeiten der Skulptur eine vertikale Unbegrenztheit angedeutet wird. Aufgrund des architektonischen Charakters seiner Baumskulptur schlug der Künstler für dieses Objekt auch die Bezeichnung „Himmelsleiter“ vor.
Zum Künstler
Gunther Gerlach studierte Bildhauerei in Kiel. Für seine Skulpturen verwendet er nahezu ausschließlich den Werkstoff Holz. Maßgebliches Ziel seiner Arbeit ist die Untersuchung individueller Erfahrungen von Raum und Zeit. Diesen Arbeitsansatz beschreibt der seit 1999 an der Universität Bremen lehrende Gerlach wie folgt: „Räumliche Erfahrung ist Voraussetzung menschlichen Handelns und wird in Skulptur und Architektur zur künstlerischen Disziplin. Beide streben nach einem Zusammenspiel von Form und Raum. Die Wahrnehmung des Körper - Raum - Gefüges ist ein wesentlichen Bestandteil zur Bildung individueller Ausdruckskraft und ästhetischer Zusammenhänge. (...) Raumplastische Experimente werden zur künstlerischen Verfahrensweise, um die vielschichtig gestalteten Strukturen der Wirklichkeit zu erfassen, begreifen und künstlerisch bearbeiten zu können. Fragen des Ortes und der Verwandlung von Körper und Raum zu Bedeutungsträgern stehen im Vordergrund.“
Hintergrund
Gunther Gerlach schuf die zehnte Baumskulptur für das 1993 vom Kunstverein Gelsenkirchen ins Leben gerufene und sich seither sukzessive weiterentwickelnde Projekt „Kunst am Baum“. Wie bei der sogenannten „Kunst am Bau“ wird hier der museale Rahmen verlassen und der öffentliche Raum gesucht, um zufällige Begegnungen mit Kunst zu ermöglichen.
Als Standort für das Skulpturenprojekt wurde der Bereich des Schlossparks Berge, westlich der Adenauerallee und nördlich des Sees von Schloss Berge zur Verfügung gestellt. Dort vorhandene kranke, überalterte und verkehrsgefährdende Bäume, die ohnehin gefällt werden sollten, wurden zur künstlerischen Bearbeitung frei gegeben. So konnten unmittelbar vor Ort in der Auseinandersetzung mit dem lebenden, noch verwurzelten „Material“ und der Umgebung interessante Konzepte entstehen, die sich auf vielfältige Weise mit der Verbindung von Kunst, Mensch und Natur auseinandersetzen. Insbesondere die Vergänglichkeit des Materials und der Pflanzenwachstum im direkten Umfeld wirken in die Gestaltung mit ein. Die Baumskulpturen verändern sich fortwährend, werden Teil der Umgebung sowie natürlicher Verwitterungsprozesse und verweisen auf diesem Wege auf Werden und Vergehen der Dinge. Vorgesehen ist, dass alljährlich eine neue Skulptur hinzukommt: Anstelle einer mühevollen und letztlich nicht realisierbaren Konservierung sind für die „Kunst am Baum“ immer neue Ideen gefragt.