Möckel, Ulrich - Säule
Skulptur,
2001
Ulrich Möckel - Säule .
Bildrechte: Sabine Fiereck
Ulrich Möckel - Säule .
Bildrechte: Sabine Fiereck
Zum Objekt
Wie der Titel der Arbeit bereits vorgibt, gestaltete Ulrich Möckel aus diesem sieben Meter hohen Baumstamm eine Säule mit auffallend stark ausgearbeiteten, vertikalen Vertiefungen, sogenannten Kanneluren. Mit diesen Kanneluren macht er die ohnehin bestehenden formalen Parallelen zwischen Baumstamm und Säule - wie Höhe und nach oben verlaufende Verjüngung des runden Querschnitts - besonders offensichtlich. In diesem Zusammenhang wirkt die unbearbeitete Wurzelpartie wie eine naturbelassene Basis. Dadurch, dass die Kanneluren auch über krumm gewachsene Bereiche des Baumes verlaufen, werden diese besonders betont. Damit wird auf das Natürliche und Organische eines nicht komplett gerade gewachsenen Baumstammes verwiesen, der damit der Perfektion einer griechischen Säule zuwider läuft, die akkurat gearbeitet ist und deren Proportionen einem berechneten Maßverhältnis entsprechen.
Funktional spielt die Säule vor allem eine Rolle als architektonisches Bauelement, vor allem bei antiken Tempelbauten. Darüber hinaus gibt es die Säule auch als einzelnes Monument, beispielsweise als Siegessäule. Eine besondere Form der Säule ist die Irminsul, die Irmensäule. Bei dieser Säule handelte es sich wohl um einen mächtigen Baumstamm, der von Germanen, insbesondere den Sachsen verehrt wurde und der eine Verbindung zwischen Himmel und Erde dargestellt haben soll.
Indem Möckel den Baumstamm zur feststehenden Säule ausarbeitet, vereinigt er Aspekte der Kunst- und Kulturgeschichte mit der lebendigen Natur zu einem Objekt. Zwar wirkt diese Verbindung zwischen natürlichem Wachstum und menschlichem Eingriff durchaus ambivalent, jedoch kommt es nach H.-P. Neumann auch zu einer „Versöhnung des zivilisatorischen Prozesses mit der Natur“, gesteuert von dem Bestreben, einen anderen Umgang mit der Natur zu erreichen.
Zum Künstler
Ulrich Möckel absolvierte sein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf (Abteilung Münster), arbeitete anschließend zeitweilig als Kunsterzieher, bevor er 1994 eine Gastprofessur an der Fachhochschule Hamburg erhielt.
Während sein Arbeitsschwerpunkt vorerst auf der Malerei lag, wandte er sich im Laufe der achtziger Jahre verstärkt der Skulptur zu. Der Baum wurde dabei zum wichtigen Ausgangspunkt einer Vielzahl seiner Arbeiten: Entweder bearbeitet er das Holz, indem er Höhlungen, Kerben oder Durchbrechungen einbringt, oder er übersetzt Form und Struktur eines Baumes in Bronze oder Aluminium, „in ein systematisch entwickeltes Formenvokabular als Maske oder Haut aus Gittern und Netzen, ohne die Verbindung mit der natürlichen Ausgangsgestalt aus den Augen zu verlieren. Es entsteht ein selbständiges, naturfremdes Meta-Baum-Teil mit eigenem Ausdruck.“ (Inge Habig) Auf diese Weise legt er besondere Merkmale und Sinnzusammenhänge frei und verweist auf das spannungsreiche Verhältnis von Mensch und Natur.
Hintergrund
Ulrich Möckel schuf die neunte Baumskulptur für das 1993 vom Kunstverein Gelsenkirchen ins Leben gerufene und sich seither sukzessive weiterentwickelnde Projekt „Kunst am Baum“. Wie bei der sogenannten „Kunst am Bau“ wird hier der museale Rahmen verlassen und der öffentliche Raum gesucht, um zufällige Begegnungen mit Kunst zu ermöglichen.
Als Standort für das Skulpturenprojekt wurde der Bereich des Schlossparks Berge, westlich der Adenauerallee und nördlich des Sees von Schloss Berge zur Verfügung gestellt. Dort vorhandene kranke, überalterte und verkehrsgefährdende Bäume, die ohnehin gefällt werden sollten, wurden zur künstlerischen Bearbeitung frei gegeben. So konnten unmittelbar vor Ort in der Auseinandersetzung mit dem lebenden, noch verwurzelten „Material“ und der Umgebung interessante Konzepte entstehen, die sich auf vielfältige Weise mit der Verbindung von Kunst, Mensch und Natur auseinandersetzen. Insbesondere die Vergänglichkeit des Materials und der Pflanzenwachstum im direkten Umfeld wirken in die Gestaltung mit ein. Die Baumskulpturen verändern sich fortwährend, werden Teil der Umgebung sowie natürlicher Verwitterungsprozesse und verweisen auf diesem Wege auf Werden und Vergehen der Dinge. Vorgesehen ist, dass alljährlich eine neue Skulptur hinzukommt: Anstelle einer mühevollen und letztlich nicht realisierbaren Konservierung sind für die „Kunst am Baum“ immer neue Ideen gefragt.