Bellmann, Liesel - Keimling
Skulptur,
1985
Zum Objekt
Die Skulptur „Keimling“ besteht aus zwei Elementen, die direkt nebeneinander platziert sind und sich ergänzen, aber gleichermaßen auch im Kontrast zu einander stehen. Der Stein ist glatt, doch auf jeder Seite unterbrechen kantige Einkerbungen den Eindruck der organischen Form. Auf den ersten Blick massiv wie ein Findling, teilt eine breit herumführende Furche den Stein in zwei Seiten, doch wird er in seiner Gesamtheit nie durchdrungen.
Der bronzene Keimling ist dagegen von keiner Seite völlig geschlossen. Es ergeben sich leichte Überwerfungen und Durchblicke. Am Schaft schwingt das Metall heraus und gibt wie ein wogender Mantel den Blick auf das Innere frei. Dieser Raum ist gleichermaßen umschlossen und zur Außenwelt geöffnet. Am oberen Abschluss öffnet sich der Keimling zu einer blattartig aufgespannten Form, über der eine Blüte thront. Das Blatt setzt die Aufwärtsbewegung der Skulptur nicht fort, sondern biegt sich herunter, als ob das Gewicht des herunterlaufenden Regenwassers in die Figur eingeschrieben wäre.
Beide Teile der Gruppe bilden eine kontrastreiche Interaktion, die in der Wahl der Materialien zum Ausdruck kommt; hier der undurchdringliche, geschlossene Stein, dort die hohle, fast modellierbare Bronze des Keimlings. Doch beim Umschreiten der Gruppe bilden sich neue Perspektiven: Wo die beiden Elemente auf einer Seite noch auseinanderstreben, scheinen sie sich von einem anderen Standpunkt aus aneinander zu schmiegen. Starre und Bewegung werden somit zu Bestandteilen eines Ganzen, eines Entwicklungskreislaufes aus Wachsen, Leben und Vergehen. In welchem Stadium der Betrachter die Gruppe vorfindet, ist jedoch offen für die persönliche Interpretation.
Zum Künstler
Elisabeth „Liesel“ Josefa Antonie Bellmann (*1920 Münster; † 2000 Düsseldorf) begann nach einer Ausbildung zur „Volkspflegerin“ 1939-1941, 1943 ein Lehramtsstudium mit den Fächern Kunstgeschichte und Geographie an der Universität Münster. Nachdem sie 1944 ein Sommersemester an der Kunstakademie Münster verbracht hatte, ging sie 1945 nach München und war dort zunächst Gasthörerin und dann Studentin an der Technischen Universität München. 1948-1950 lernte sie in der Werkstatt des Oelder Bildhauers Heinrich Lückenkötter und studierte 1954-1956 in der Bildhauerklasse von Professor Piet Esser an der „Rijksakademie van beeldende Kunsten“ in Amsterdam. Später zog sie nach Dortmund, wo sie 1967 ihr Atelier in einer alten Dorfschule in Lanstrop einrichtete.
Hintergrund
In der Wiederaufbauzeit der 1950er-Jahre erhielt sie erste Aufträge zur Ausstattung neu errichteter Kirchen und mit steigender Bekanntheit in den 1960ern auch für Arbeiten auf öffentlichen Plätzen. Diese thematisierten oft in monumentaler Weise die symbolische Kraft des Wassers und des Lebens. So schuf sie in Gelsenkirchen neben dem „Keimling“ aus dem Jahre 1985 auch das Wasserspiel „Dialog“, das 1975 auf der Hochstraße in Buer aufgestellt wurde.