Lüpertz, Markus – Herkules von Gelsenkirchen
Skulptur,
2010
Zum Objekt
Die Skulptur ist ein 18 Meter hoher Aluminiumguss, der die mythologische Figur in einer modernen Interpretation zeigt. Die Skulptur ist in der Farbe des Ausgangsmaterials belassen, einzig Haare und Bart sind blau gefasst. Der Mund hat kleinflächige rote Lippen, die blau-schwarzen Augen auf weißem Grund sind lediglich aufgemalt. Die von den Vorentwürfen übernommene Struktur zeigt sich deutlich im Guss. Die Beine der Figur sind relativ glatt, der Oberkörper und der Kopf dagegen rau und mit übereinander geworfenen Schichten texturiert. Der Bereich des Bartes ist mit einer regelmäßigen Lochung versehen. Die Haare stehen in kurzen Wirbeln vom Kopf ab, auf dem Hinterkopf sind sie in einem breiten senkrechten Streifen ausgeschoren. Die Körperhaltung des Herkules folgt dem Vorbild antiker Figurenposen, löst diese jedoch in ihrer Eindeutigkeit etwas auf. So ist das linke Bein als Spielbein zurückgesetzt, die Ferse hebt sich leicht, doch ist diese Bewegung aus der Vorderansicht nicht sofort ersichtlich. Der Oberkörper ist aus der Frontalen nach links gedreht und verstärkt so die raumgreifende Wirkung des rechten Arms. Das Fehlen des linken Arms hat zwei Gründe: zum einen wirkt die Figur durch die gewählte Proportion und Pose nicht ausgreifend plastisch, sondern kompakt. Zum anderen wirken die geriffelten Aluminiumplatten an der Schulter wie Flickwerk; als wäre ein Verband über die klaffende Wunde des herausgerissenen Armes gezogen worden. Der Herkules entspricht somit nicht dem mythologischen Vorbild der Stärke und Gottgleichheit, sondern zeigt ein Bild von Verletzbarkeit und Fragilität. Als Attribut ist ihm eine Keule beigegeben. Sie ist auf eine Schildkröte mit grünem Panzer und rotem Körper gestützt, welche wiederum auf einem Aluminiumsockel in Form eines stilisierten Felsen sitzt. In der griechischen Mythologie gibt es keinen direkten Bezug zwischen Herkules und der Schildkröte. So ist ihre Rolle hier mehr als Weltstütze und Symbol des ewigen Lebens zu sehen.
Zum Künstler
Markus Lüpertz (*1941 Reichenberg/Liberec) studierte 1956-1961 an der Werkkunstschule Krefeld und an der Kunstakademie Düsseldorf. Nachdem er von letzterer nach einem Jahr exmatrikuliert wurde, arbeitete er ab 1961 als freischaffender Künstler. 1970 erhielt Lüpertz den Preis der Villa Romana und verbrachte im Rahmen des damit verbundenen Stipendiums ein Jahr in Florenz. 1974 gehörte er zu den Organisatoren der 1. Biennale Berlin und war Gastdozent an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe, wo er von 1976 bis1986 eine Professur hatte. 1986 erhielt er eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf, deren Rektor er von 1988 bis 2009 blieb. Zum Ende seiner Rektoratszeit begann er die Umsetzung von Monumentalskulpturen für den öffentlichen Raum unter anderem mit der „Aphrodite“ in Augsburg 2004-2003, der Skulptur „Hommage an Mozart“ in Salzburg 2005 und dem „Herkules“ in Gelsenkirchen 2010. Seit 2009 ist Lüpertz Ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste in Düsseldorf und nimmt seit 2013 eine Lehrtätigkeit an der Kunstakademie Bad Reichenhall wahr.
Hintergrund
Im Jahre 2010 wurde der Förderturm der Zeche Nordstern, Firmensitz der THS, um vier gläserne Etagen aufgestockt und daneben ein Erschließungsturm gesetzt. Auf diesen wurde die von Markus Lüpertz geschaffene Monumentalskulptur „Herkules von Gelsenkirchen“ montiert. Lüpertz schuf 43 Bozzetti als Vorentwürfe und danach die finale Version, die er im Maßstab 1:1 aus Gips und Styropor baute und von der Kunstgießerei Schmäke in Düsseldorf gießen ließ. Die Skulptur wurde aus mehreren Einzelteilen gefertigt und dann zusammengesetzt. Als Abschluss des Kulturhauptstadtjahrs Ruhr 2010 soll die weithin sichtbare Figur als Leuchtturmprojekt im wahren und übertragenen Sinne den strukturellen und kulturellen Wandel im Ruhrgebiet symbolisieren. Für diese Kraftanstrengung, so Lüpertz, wird ein Held benötigt, der sich aufrecht allen Schwierigkeiten stellt.