Obwohl Alfred Meyer nicht zu den nationalsozialistischen Parteifunktionären gehört, deren Namen einer breiten Öffentlichkeit bekannt sind, wie zum Beispiel Hermann Göring und Heinrich Himmler, aber auch Adolf Eichmann oder Josef Mengele, war er ein einflussreicher Funktionsträger: Gauleiter, Reichsstatthalter, Oberpräsident und während des Zweiten Weltkriegs zusätzlich noch stellvertretender Minister für die unter deutscher Besatzung stehenden Gebiete der Sowjetunion sowie der baltischen Staaten. Mit all diesen Tätigkeiten, die er gleichzeitig ausübte, verfügte er über eine außerordentliche Machtfülle. Bekannt wurde er allerdings durch die Teilnahme an einer Besprechung, die in die Geschichtsschreibung als Wannsee-Konferenz einging. In einer Villa am Berliner Wannsee wurde im Januar 1942 unter dem Vorsitz des Chefs des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, die Umsetzung des Judenmordes koordiniert. Die politische Karriere dieses nationalsozialistischen Verbrechers hatte in Gelsenkirchen begonnen. Geboren wurde Alfred Meyer am 5. Oktober 1891 allerdings in Göttingen als Sohn eines königlich-preußischen Bau- und Regierungsrats. Da auch seine Mutter aus einem bildungsbürgerlichen Umfeld kam, ließ zunächst nicht unbedingt darauf schließen, das Meyers Weg in den politischen Extremismus führen würde. Seine kaiserlich-konservative Prägung ließ ihn schon vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs Offizier werden. Während des Krieges wurde er hoch dekoriert und geriet 1917 in französische Gefangenschaft, aus der er erst 1920 entlassen wurde. Zu spät, um wieder als Offizier in die auf 100.000 Mann begrenzte Reichswehr aufgenommen zu werden. In dieser Situation begann er mit Ende 20 ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, das er 1922 mit der Promotion abschloss. Da er allerdings kein Volljurist war, musste er sich mit einer nachrangigen Verwaltungstätigkeit auf der Gelsenkirchener Zeche Graf Bismarck zufrieden geben. In diese Zeit fiel auch der Beginn seiner politischen Betätigung. Im April 1928 trat er in die NSDAP ein, die zu diesem Zeitpunkt keine Aussicht auf eine politische Karriere bot. Die Gründe für diesen Schritt, bleiben im Dunkeln, passen allerdings auch zur nationalistischen Gesinnung.
Von nun an ging es mit Meyer stetig bergauf. 1929 wurde er der einzige Stadtverordnete für die NSDAP im Gelsenkirchener Rat und im Jahr darauf sogar Reichstagsabgeordneter. Nachdem der Gau Westfalen geteilt worden war, wurde Meyer 1931 Gauleiter von Westfalen-Nord und stieg damit zu einem hochrangigen Parteifunktionär auf. Weitere Ämter folgten nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Januar 1933. Im Mai des gleichen Jahres wurde er Reichsstatthalter von Lippe und Schaumburg-Lippe und 1938 erfolgte die Ernennung zum Oberpräsidenten der Provinz Westfalen. Im Zuge des Angriffs auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurde ein neues Ministerium geschaffen, dessen Leiter der „Chefideologe“ der NSDAP, Alfred Rosenberg, wurde. Da er Meyer schon in der Zeit als Reichstagsabgeordneter kannte, machte er diesen zu seinem Stellvertreter im neu geschaffenen Ostministerium. In dieser Funktion und als Teilnehmer an der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 wurde er endgültig zum Schreibtischtäter und somit mitverantwortlich für Deportation, Zwangsarbeit und Judenvernichtung. Das Leben des Mannes, dessen politische Karriere in Gelsenkirchen begann, endete im April 1945 im Alter von nur 53 Jahren als von den Alliierten gesuchter Kriegsverbrecher bei Hessisch Oldendorf im Selbstmord. Eine ausführliche Biographie wurde vom Institut für Stadtgeschichte veröffentlich: Heinz-Jürgen Priamus, Meyer. Zwischen Kaisertreue und NS-Täterschaft, Biographische Konturen eines deutschen Bürgers, Essen 2011Klartext-Verlag.