Dr. Paul Eichengrün war ein angesehener und bekannter Zahnarzt mit einer großen Praxis. Er stammte aus einer reichen jüdischen Kaufleutefamilie aus Witten, wo er 1899 als Sohn von Sally und Bertha Eichengrün geboren war. Ein Mitglied der Familie Eichengrün verfolgte die Familiengeschichte für Westfalen zurück bis ins Jahr 1785 und verwies auf die familiäre Überlieferung, dass Teile der Familie vor der Zuwanderung nach Westfalen schon etwa 600 Jahre im Elsaß gelebt hatten. Paul Eichengrün hatte in Witten die Volksschule und das Realgymnasium besucht. Anschließend musste er zum Militärdienst bei der Marine. Erst nach dem Ersten Weltkrieg konnte er so 1919 sein Medizinstudium in Heidelberg aufnehmen. Nach dessen Abschluss ließ er sich in Gelsenkirchen nieder. Paul Eichengrün heiratete Ilse Schlossstein, die 1904 in Krefeld zur Welt gekommen war. Nach der Tochter Lore, die 1927 in Gelsenkirchen geboren wurde, folgte zwei Jahre später noch die Geburt des Sohnes Werner. Dr. Paul Eichengrün, der ein großes Haus mit seiner Praxis an der Neustraße 7 (im "Dritten Reich" zynisch in "Stürmerstraße" umbenannt) gegenüber der Gelsenkirchener Synagoge hatte, war ein angesehener Bürger Gelsenkirchens. So war es nicht ganz verwunderlich, dass der aufstrebende Fußballverein FC Schalke 04, der nun zahlreiche Anhänger in der ganzen Stadt hatte, den offensichtlich fußballbegeisterten Zahnarzt bei seiner Mitgliederversammlung am 23. Juli 1932 zum 2. Vorsitzender des Vereins wählte. Nach dem Bericht der Gelsenkirchener Zeitung nahm der neue 2. Vorsitzende die Wahl mit den Worten "Alles für Schalke" an.
Sein ehrenvolles Amt konnte Eichengrün allerdings nicht lange ausüben. Anfang April 1933 trat er schon wieder zurück. Unübersichtliche Auseinandersetzungen mit dem Westdeutschen Spielverband um das überkommene Amateurprinzip im deutschen Fußball zwangen den Verein zur Neubesetzung des Vorstandes, und der westdeutsche Verband und der DFB hatten nach der Übergabe der Macht an die Nationalsozialisten besonders rasch den "Arierparagraphen" eingeführt und bestimmt, dass Juden nicht Mitglieder der Vereinsführungen sein könnten. Nach dem Bericht der Gelsenkirchener Zeitung bedauerte der Verein das Ausscheiden von Dr. Paul Eichengrün und dessen Äußerung wurde in der Zeitung dargestellt: "Herr Dr. Eichengrün, begründete dann noch einmal kurz seinen Austritt. Er habe geglaubt, im Interesse des Vereins gehandelt zu haben, wenn er sein Amt schweren Herzens niederlege. Er sei aber bereit, dem Verein auch weiterhin als Mitglied mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und gab der Hoffnung Ausdruck, dass der Sturm, der das Schiff von Schalke 04 nun so lange Zeit hin und her geschleudert habe, bald einer ruhigen Brise Platz mache. Er ermahnt die Versammlung, auch weiter nach der Devise zu handeln: Alles für Schalke 04!"
Die hier durchklingende Hoffnung auf ein Ende des Nationalsozialismus führte wohl auch dazu, dass sich die Familie Eichengrün nicht frühzeitig entschließen konnte, Deutschland zu verlassen. Obwohl sie die fortschreitende Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung erleben mussten, entschlossen sich die Eichengrüns wohl erst in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zu einer Flucht in die USA und erhielten erst für die Zeit nach Beginn des Zweiten Weltkriegs Einreisegenehmigungen für die USA. Die Ereignisse der "Reichskristallnacht" machten der Familie dann klar, wie groß die Gefahren für Leib und Leben nun schon waren. Daher entschlossen sich Paul und Ilse Eichengrün, die inzwischen auch die Eltern von Ilse Eichengrün im Haus aufgenommen hatten, die beiden Kinder, Lore und Werner, mit einem Kindertransport nach Großbritannien zu schicken, um sie dort im sicheren Ausland auf die Weiterreise in die USA warten zu lassen. Im Februar 1939 verließen die beiden Kinder Deutschland und gelangten nach Großbritannien, wo sie in Pflegefamilien aufgenommen wurden. Auch das Ehepaar Eichengrün konnte mit Hilfe von Bürgschaften im August 1939, drei Wochen vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, nach Großbritannien ausreisen. Den Eltern von Ilse Eichengrün, Josef und Ida Schlossstein, gelang es nicht mehr, aus Deutschland herauszukommen. Sie wurden schließlich in ein Judenhaus an der Klosterstraße 21 eingewiesen und von dort Ende Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Josef Schlossstein gilt als verschollen im KZ Theresienstadt, Ida Schlossstein kam im KZ Minsk um. Die in Großbritannien gerettete Familie Eichengrün konnte erst im Oktober 1940, nachdem Ihre Quotennummern zur Einreise in die USA aufgerufen worden waren, in die USA weiterreisen. In den USA konnte Dr. Paul Eichengrün rasch als Zahntechniker Arbeit und Einkommen finden. Er starb 1985, seine Frau starb schon 1960.
Die Geschichte der Familie Eichengrün ist aber auf erstaunliche Weise auch bis zur Gegenwart mit Gelsenkirchen und auch dem Schalker Fußballverein verbunden: Lore Eichengrün, die nach ihrer Heirat in den USA Laura Gabriel hieß, besuchte als Überlebende des Völkermordes an den Juden auf Einladung der Stadt Gelsenkirchen 1998 ihren Geburtsort und die Stätten ihrer Kindheit. Sie half auch dem Institut für Stadtgeschichte die Geschichte ihrer Familie und ihre Erfahrungen vom Kindertransport zu publizieren. Ab und zu gab es noch Kontakte bis sie vor einigen Jahren starb. Überraschend meldete sich dann kürzlich Lawrence Gabriel, der sich kurzfristig zu einem Besuch in Gelsenkirchen anmeldete. Der Sohn von Laura Gabriel wusste um den Besuch seiner Mutter in Gelsenkirchen, interessierte sich für seine Familiengeschichte und den Fußballverein, dessen 2. Vorsitzender sein Großvater gewesen war. Und er war mit dem Ruhrgebiet verbunden, denn er arbeitet für eine Tochtergesellschaft der aus der früheren Ruhrkohle AG hervorgegangenen Evonik Industries im US-Bundesstaat New York und hatte bei einer Reise zu einer Evonik-Firma in Darmstadt einen Kollegen gefunden, mit dem er auf den Spuren seiner Familie im März Gelsenkirchen und auch den FC Schalke 04 besuchte.