Ilse Kibgis war eine Gelsenkirchener Lyrikerin und Autorin und für ihre Ruhrgebietsliteratur bekannt. Sie wurde am 3. Juni 1928 in Horst-Süd in eine Bergmannsfamilie hineingeboren, ihre Eltern waren Willi und Ilse Tomczak. Sie wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Nach ihrem Schulabschluss, im Alter von 14 Jahren, musste sie ein Pflichtjahr in einem Lebensmittelgeschäft ableisten, anschließend wurde sie zur Arbeit in einer Schuh- und Matratzenfabrik dienstverpflichtet. Nach dem Krieg arbeitete sie in unterschiedlichen Arbeitsbereichen, unter anderem als Kassiererin, Serviererin oder Manglerin.
1953 heiratete sie den Ofenbauer Fred Kibgis. Doch musste die junge Familie mehrere Bewährungsproben überstehen. Ihre ersten beiden Kinder starben kurz nach der Geburt. Im Jahr 1955 bekamen die beiden ihren Sohn Gerd.
Ilse Kibgis war schon in jungen Jahren eine begeisterte Leserin. Mit 10 hat sie ihr erstes Buch gelesen und von da an waren Bücher ihre Welt, so berichtet sie in einem Interview in dem Band „Keine Geschichte ohne Frauen“, das 1992 vom Frauenbüro der Stadt Gelsenkirchen herausgegeben wurde. Von ihrem zweiten Gehalt habe sie direkt Bücher gekauft. Damals verfasste sie auch ihre ersten lyrischen Texte.
Seit 1975 war sie Teil der Literatur-Werkstatt der Gelsenkirchener Volkshochschule. Hier präsentierte Ilse Kibgis zum ersten Mal, im Alter von 48 Jahren, ihre Gedichte. Der damalige Leiter der Literartur-Werkstatt Josef Büscher ermutigte sie, ihre Gedichte und Werke an die Öffentlichkeit zu bringen. Schon im Jahr 1976 gab sie ihre erste öffentliche Lesung mit Gedichten in der Literatur-Werkstatt. Ihre Texte wurden von der Presse gefeiert, zunächst in den lokalen, später auch in überregionalen Zeitungen. Nur ein Jahr später erfolgte die Veröffentlichung ihres ersten Gedichtbandes „Wo Menschen wohnen“, beim Essener Wickenburg Verlag. 1984 erschien ihr einziger weiterer Gedichtband, „Meine Stadt ist kein Knüller in Reisekatalogen“. Das Buch isst noch heute beim Essener Klartext-Verlag erhältlich. Ihre weiteren Werke veröffentlichte Ilse Kibgis danach nur noch in Sammelbänden sowie in mehreren Zeitschriften und Zeitungen.
Kibgis‘ Texte waren geprägt von einer starken Verbundenheit zu ihrer Heimat und den Menschen des Ruhrgebietes. Sie schrieb viel über das Leben und den Alltag der Menschen, machte auch komplexere Themen, wie die Rolle von Männern und Frauen zum Gegenstand ihrer Werke. Das Schreiben war für sie geradezu ein Weg der Auseinandersetzung mit sich selbst: „Schreiben ist ein Stück Emanzipation. Es hat mich selbständig gemacht, hat mich zu eigenen Gedanken angeregt,“ äußerte sie in einem Interview mit der Bild am Sonntag im Jahr 1991.
In ihren lyrischen Texten war sie eine scharfe Beobachterin, wie nachfolgendes Gedicht zeigt.
Serviererin (ca. 1991)
Balanceakte
von Tisch zu Tisch
im Kopf der
Schnellrechner
und Marathon
in den Füßen
das Erdrund
schon fast überrundet
um über die
Runden des Lebens
zu kommen
Ein Berufslächeln
und eins für
Trinkgelder
ein Gästegesicht
und ein eigenes
am Monatsende
der Vergleich
zwischen Gehalt
und Gewinn
1978 war Ilse Kibgis in die Sozialdemokratische Partei eingetreten. Ihr Ehemann Fred sowie ihre Eltern waren ebenfalls in der SPD. Nach dem Tod ihres Mannes zog sie in eine Seniorenanlage in der Devensstraße, da sie nicht mehr alleine leben konnte. Sie verstarb am 17. Dezember 2015 im Alter von 87 Jahren. Nur wenige Monate zuvor war ihr Sohn Gerd gestorben.
Für ihr literarisches Schaffen erhielt Kibgis zeitlebens mehrere Auszeichnungen, darunter das Literaturstipendium der Stadt Gelsenkirchen (1978), den Josef-Dietzgen-Literaturpreis (1988) und den Autorenpreis Forum Kohlenpott (1988). 2019 wurde der Marktplatz Horst Süd zu ihrer Ehrung in Ilse-Kibgis-Platz umbenannt.
Ilse Kibgis‘ Nachlass befindet sich im Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur in Dortmund.