Manfred „Many“ Szejstecki wurde am 22. Februar 1931 in Breslau geboren. In seiner Kindheit flüchtete die Familie aus der vormaligen niederschlesischen Provinz nach Thüringen. Von dort machte sich Szejstecki als Jugendlicher allein in den Westen auf und gelangte im Sommer 1947 zunächst nach Dortmund, wo er als Berglehrling auf der Zeche Minister Stein anheuerte.
Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte Szejstecki ab 1949 in Gelsenkirchen. Hier fand er anfänglich eine Anstellung auf der Zeche Wilhelmine Victoria und brachte es bereits mit 26 Jahren zum Kohlerevier-Steiger. Später folgten berufliche Stationen auf der Zeche Bergmannsglück und zuletzt, bis zu seinem Ruhestand 1984, auf der Zeche Westerholt.
Als Ausgleich zur harten körperlichen Arbeit über und unter Tage begann Szejstecki, der schon als Jugendlicher ein zeichnerisches Interesse besaß, Anfang der 1960er Jahre in seiner Freizeit zu zeichnen. Als Autodidakt besuchte er ab 1965 zusätzlich Zeichen- und Malereikurse an der Volkshochschule und begann, sich nebenberuflich als Künstler zu bezeichnen. Entstanden zunächst vor allem Landschafts- und Aktzeichnungen, beeinflusste schon bald die Arbeit im Steinkohlebergbau seine künstlerische Tätigkeit. So zeichnete er nicht nur während seiner Aufsichten unter Tage stetig Skizzen der Bergleute, sondern widmete sich darüber hinaus auf vielfältige Weise den Themen Bergbau und Kohleindustrie.
Frühe Ergebnisse dieser Auseinandersetzung waren abstrakte Netzstrukturen und Raumgitter, die durch Liniensysteme geologische Formen und Gesteinsfaltungen wiedergeben. Die genauen, händisch ausgeführten Zeichnungen wirken wie computergenerierte Bauzeichnungen und zeugen vom Technik- und Naturverständnis Szejsteckis. Sie bildeten die Basis für die ab 1984 realisierten und schließlich durch ein eigens hergestelltes Computerprogramm weiterentwickelten „Bergbaupanoramen“, in denen seine Auseinandersetzung mit dem Bergbau in der Kunst noch deutlicher wird.
In den meist großformatigen Bildern vereinte Szejstecki mit mathematischer Akribie die weit verzweigten unterirdischen Bergbaulandschaften aus Flözen, Schächten und geologischen Erdstrukturen mit den über ihnen liegenden Ruhrgebietslandschaften. Die Betrachtenden können sich durch Szejsteckis Werke gleichzeitig die Landschaft unter wie über Tage erschließen und somit die Bedeutung der Industrielandschaft ebenso wahrnehmen wie das Ausmaß des menschlichen Eingriffs in die Umwelt. Seit 1994 sind entsprechende „Bergbaupanoramen“ unter dem Titel „Gelsenkirchen von unten“ beispielsweise in der U-Bahn Haltestelle Trinenkamp zu sehen.
Auch die in einer früheren Werkphase ab 1975 entwickelten „Phantastischen Raumkonstruktionen“ thematisieren die Wechselbeziehung zwischen Mensch und industriell geprägtem Raum. Durch ein Fenster sehen die Betrachtenden dabei in Objektkästen, in deren Inneren sich ein scheinbar unendlicher, monotoner Raum erstreckt. Mittels seitlich angebrachter transparenter Spiegel erweiterte Szejstecki den meist als Industrielandschaft ausgestalteten Innenraum, sodass eine dystopische, menschenleere Umgebung entstand. Später setzte er sich vermehrt auch mit neuen Medien wie Video- und Computerkunst auseinander und integrierte beispielsweise Videosequenzen in seine Objektkästen.
Während seiner Tätigkeit auf der Zeche „Westerholt“ begann Many Szejstecki in einem Atelier zu arbeiten, dass er sich im Erdgeschoss des nahegelegenen Zechenhauses einrichtete. Da jedoch die Ausstellungsmöglichkeiten für autodidaktisch arbeitende Kunstschaffende begrenzt waren, schloss er sich 1976 mit den Goldschmieden Klaus und Michael Schadek sowie den befreundeten Künstlern Rolf Feddern und Bernhard Woschek zur Künstlergruppe „werkstatt“ zusammen. Gemeinsam mieteten sie Atelierräume in Gelsenkirchen-Buer – zunächst am alten Marientor, ab 1980 in der Hagenstraße – an und nutzten diese auch als Ausstellungsräume.
In den Folgejahren begann eine intensive Ausstellungstätigkeit, zu der auch weitere befreundete Künstlerinnen und Künstler aus Gelsenkirchen und dem Ruhrgebiet eingeladen wurden. Es entstand ein wichtiger kultureller und sozialer Treffpunkt. Während sich die Gemeinschaft der „werkstatt“ im Laufe der Jahrzehnte veränderte, blieb Szejstecki bis zuletzt aktives Mitglied. So fanden hier beispielsweise anlässlich seines 60. und seines 70. Geburtstags Einzelausstellungen seiner Zeichnungen statt. Darüber hinaus stellte Szejstecki ab 1970 in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Nordrhein-Westfalen aus. Eine umfassende Retrospektive seines Schaffens richtete das Deutsche Museum München 2003 aus.
Der mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnete Manfred „Many“ Szejstecki verstarb am 24. Januar 2016 im Alter von 84 Jahren in Gelsenkirchen.