Das Ehepaar Maria und Rudolf Rempel hatte am Ende des 19. Jahrhunderts mindestens ein gemeinsames Forschungsprojekt, das sie leidenschaftlich verfolgten: Wie konnten verderbliche Lebensmittel auf lange Zeit haltbar gemacht werden und trotzdem wie frisch aussehen? Denn im Sommer warf der Garten viel zu viel Gemüse und Obst ab, und im Winter wiederum konnte man die Vitamine und Abwechslung von Speisen gut gebrauchen. Bislang hatten die Menschen ihre Lebensmittel für spätere Zeiten getrocknet oder gedörrt, gepökelt oder eingesalzen. Ab 15. September 1892 war damit Schluss. Der Deutsche Reichs-Anzeiger vermeldete, dass Dr. R. Rempel ein Patent angemeldet hatte, für den „Apparat zum selbstthätigen Schließen und Entluften von Sterilisirgefäßen“, wie er damals noch hieß. Bis heute ist diese Methode unter dem Schlagwort des „Einweckens“ bekannt.
Wann genau der aus Bielefeld stammende Rudolf Rempel und seine Frau Maria, geb. Fähnle, nach Ückendorf kamen, ist unklar. Bekannt ist, dass der promovierte Chemiker seit 1888 bei der Gelsenkirchener Aktiengesellschaft für Kohledestillation in Ückendorf arbeitete und in der damaligen Alleestraße 2 (heute Junkerweg) lebte. Rempel verfügte über ein Labor und hier begann er seine Sterilisationsversuche. Er schliff Pulvergläser am Rand ab, verdichtete sie mit einem Gummiring und einem Blechdeckel und kochte die Lebensmittel schließlich mit einem Gewicht auf dem Deckel im Wasserbad ein. Nach ersten Erfolgen mit dieser Methode, setzte Rempel die Versuche an den dienstfreien Sonntagen mit seiner Ehefrau Maria zuhause fort, so schilderte sie es viele Jahre später in einem Brief. Nun schliff sie die Gläser mithilfe von Schmirgelpulver ab und gemeinsam verfeinerten sie das Vorgehen. Sie kochten gläserweise Obst und Gemüse ein, feilten an der Druckmethode und Dichte ihrer Gläser, immer auch vom Wunsch getrieben, dass die Waren bestes Aussehen behalten sollten. Im eigens entwickelten Einkoch-Apparat sterilisierten sie die Lebensmittel in Gläsern, die Deckel wurden durch Federdruck am Rand geschlossen gehalten. Der Erfolg blieb nicht aus.
Nach der Patentierung im September 1892 begannen sie gemeinsam mit Rempels Bruder mit dem Aufbau eines Unternehmens. Kurz zuvor war ihr Sohn Rudolf Karl Hugo zur Welt gekommen. Doch konnte Rudolf Rempel weder das Aufwachsen seines Kindes noch den Aufstieg der Erfindung lange miterleben. Er starb am 21. Juli 1893, nach längerer schwerer Krankheit und im Alter von 34 Jahren. Die Traueranzeigen in der Emscher Zeitung – vom Krieger- und Landwehrverein Gelsenkirchen über den Technischen Verein bis hin zum Vorstand und den Beamten der Kohledestillation sowie den Arbeitern der Benzolfabrik der Kohledestillation – lassen ahnen, dass er in der Gelsenkirchener Gesellschaft anerkannt und geschätzt war. Auf der Traueranzeige wird gar eine weitere Promotion, die des Dr. phil. aufgezeigt.
Rempels Frau Maria hingegen blickte noch viele Jahre auf den Erfolg des von ihnen entwickelten Verfahrens, ohne selbst weiter damit zu tun zu haben. In einem Brief aus dem Jahr 1939 an die späteren Eigner des Patents, die Firma J. WECK & Co., schilderte Maria Rempel, wie sie gemeinsam den Einkoch-Automaten erfanden. Deutlich herauszulesen ist ihre Freude über den praktischen Erfolg der Erfindung. Nach dem Tod ihres Mannes verkaufte sie das Patent an Albert Hüssener, einen Kollegen Rempels. Dieser veräußerte es wiederum 1895 an Johann Weck in Südbaden. Mit dem „Rempelschen Patent“ waren die Glasproduktion, die Produktion der Sterilisationsgeräte, aber auch die Vermarktung des „Einweckens“ verbunden. Seit 1901 publizierte die Firma J. WECK & Co. daher die Monatszeitschrift „Ratgeber Frau und Familie“ und entwickelte sich so zu einer Marke. Hausfrauen benötigten nur noch kochendes Wasser, Gläser, Gummis und Klammern, um Lebensmittel haltbar zu machen. Die Glasproduktion der traditionsreichen WECK-Einkochgläser wurde bald auf die Produktion von Getränkeflaschen, Glasverpackungen, zum Beispiel für Gurken, Senf und Marmelade sowie Glassteine im Bereich Bauglas ausgeweitet – ohne jedoch den Markenkern aufzugeben. Als das Unternehmen 2023 aufgrund von gestiegener Energiekosten Insolvenz anmeldete, zeigte sich, dass die „Weck-Gläser“ nicht in Gefahr geraten würden.
Über den Werdegang von Maria Rempel ist kaum etwas bekannt. Für sich und ihren Sohn baute sie ein neues Leben auf. Rudolf jun. (1892–1970) folgte der Spur des Vaters nicht. Er studierte mit zwanzig Jahren Bildhauerei an der Münchner Akademie der Bildenden Künste. Seine künstlerische Arbeit spezialisierte sich später auf Tierfiguren aus Porzellan. In ihrem Brief an die Firma WECK erwähnt Maria Rempel, dass sie erneut geheiratet und noch eine Tochter bekommen hat. Wen sie nach dem Tod ihres ersten Mannes heiratete, wie sie nun hieß, wo sie lebte und wann sie starb, auch wo und wann sie geboren wurde, ist leider nicht bekannt. Vom Brief gibt es nur eine Abschrift, die nicht unterzeichnet ist. So muss hierzu noch weiter geforscht werden.
Rudolf Arnold Rempel, der die Grundlagen des „Einweckens“ legte, kam am 1. Februar 1859 in Bielefeld zur Welt. Er war das sechste Kind von sieben. Seine Eltern, Wilhelmine geb. Veerhoff (1819–1867) und sein Vater, ebenfalls mit dem Namen Rudolf Rempel (1815–1868), waren gut situiert. Rempel senior hatte eine Leinenhandlung aufgebaut. Doch mehr noch als mit seinem Unternehmen beschäftigte er sich mit sozialen Fragen, schloss sich irgendwann der demokratischen Bewegung jener Zeit an. Bald galt er als der „Robbespierre von Bielefeld“, wurde steckbrieflich gesucht und floh nach Paris. 1849 kehrte er wieder nach Bielefeld zurück und blieb politisch engagiert. Er war lange Stadtverordneter, Kreistagsabgeordneter und mehrmals Vorsitzender der Stadtverordneten-Versammlung. Das Bielefelder Rudolf-Rempel-Berufskolleg trägt seinen Namen.
Da Dr. Rudolf Rempel, der Entdecker des Einkoch- und Sterilisationsverfahrens, so früh verstarb, werden wir nicht erfahren, welche weiteren Erfindungen das Ehepaar noch hätte machen können.