Rudi Assauer war 18 Jahre lang, von 1981 bis 1986 und von 1993 bis 2006, Manager bzw. Sportvorstand des FC Schalke 04. Wie nur ganz wenige in der Vereinsgeschichte hat er dabei den Club geprägt. Assauer ist ein Entscheider mit Ecken und Kanten, aber einer, für den das Wohl des Vereins immer mit an oberster Stelle stand.
Aufgewachsen in Herten, spielte er im Alter von acht Jahren mit den Fußballspielern der Spielvereinigung Herten und kam später hier unter Vertrag. In der Saison 1963/64 schoss er für den Klub, der inzwischen in die zweitklassige Regionalliga aufgestiegen war, sieben Tore. Von 1964 bis 1970 lief er als Spieler für Borussia Dortmund auf. Er war Teil der BVB-Gewinnermannschaft 1966 des Europapokals gegen den englischen Vertreter FC Liverpool. 1966 und 1967 spielte er zwei Spiele für die U-23-Nationalmannschaft. 1970 wechselte er von Dortmund zum FC Werder Bremen. Assauer absolvierte bis zu seinem Abschied als Fußballspieler in der Saison 1975/76 188 Spiele. Dann wechselte er ins Management bei Werder Bremen.
1981 wechselte er als Manager zum FC Schalke 04. Seine erste Amtszeit verlief durchwachsen: Im April 1981 verpflichtet, konnte er nur noch die Scherben des so gut wie feststehenden ersten Bundesligaabstiegs aufkehren. In den letzten vier Spielen saß er sogar auf der Bank, aber ein Wunder vermochte Assauer nicht mehr zu vollbringen. Seine ersten Personalentscheidungen bewirkten dann den sofortigen Wiederaufstieg 1982. Er setzte auf ehemaligen Weggefährten als Trainer (Siegfried Held), auf Routiniers im Spielerkader. Das zahlte sich zunächst aus. Doch ging seine Einkaufspolitik vor und in der Saison 1982/1983 schief. Schalke stieg zum zweiten Mal ab.
Dann zog er die richtigen Schlüsse. Mit Klaus Täuber, Bernd Dierssen, Michael Jakobs kamen im Sommer 1983 jüngere Spieler. Der 17-jährige Olaf Thon aus er eigenen Jugend war gar ein Geschenk des Himmels. Der S04 erreichte als Zweitligist das Pokal-Halbfinale 1984 und stieg erneut sofort wieder auf. In der Folgesaison 1984/1985 verpasste die offensivfreudige Elf als Achter nur knapp den UEFA-Cup. Ein Jahr später wurde Schalke Zehnter – und der Vorstand wurde ungeduldig. Präsident Hans-Joachim Fenne wollte den UEFA-Cup geradezu erzwingen, setzte Rolf Schafstall vom VfL Bochum als neuen Trainer und Millioneninvestitionen durch: ein gefährliches Wetten auf die Zukunft. Der Streit zwischen Trainer und Manager eskalierte, Assauer wurde im Dezember 1986 beurlaubt. Sein Plan, im von Emotionen getrieben Club mehr Professionalität und Vernunft in Entscheidungsprozessen einzuführen, war eindeutig gescheitert. „Entweder ich schaffe Schalke oder Schalke schafft mich“, ist eine von Assauers knackigen Aussagen.
Doch sechseinhalb Jahre später, im April 1993, erhielt er für alle überraschend eine zweite Chance. Denn Schalke 04 steckte wieder einmal in Schwierigkeiten und suchte eine populäre Lösung. Der damalige Präsident Günter Eichberg hatte den Fußballverstand des mittlerweile 48-jährigen Assauer nicht vergessen. Der Empfang auf Schalke war allerdings zwiegespalten. Die Wohlmeinenden erinnerten sich an die guten Zeiten der ersten Amtsperiode, die Zweifler dagegen dachten an Assauers bisweilen arrogant wirkendes Auftreten.
Nach wie vor versuchte Assauer, Professionalität und Rationalität im Verein zu etablieren. Er hatte die richtigen Schlüsse aus den 80ern gezogen. Den beliebten Mannschaftsbetreuer Charly Neumann bekämpfte er nicht länger, sondern gewann ihn für sich. Mit Olaf Thon holt er 1994 den von allen vermissten „verlorenen Sohn“ zurück. Gemeinsam mit Marketingleiter Andreas Steiniger und Geschäftsführer Peter Peters navigiert er den Club durch wirtschaftlich schwierige Jahre. Sogar einen drohenden Punktabzug durch den DFB konnten sie verhindern.
Für die Mannschaft war Assauer der Boss, der sie nach außen wie ein Löwe verteidigte, aber nach innen Teamgeist und Einsatz für den Verein einforderte. Schritt für Schritt wurde aus dem Kader eine echte Mannschaft: Vom erfolgreichen Klassenerhalt 1994 aus scheinbar aussichtsloser Lage bis zur ersten Europapokal-Qualifikation 1996 waren es nur etwas mehr als zwei Jahre.
Im UEFA-Cup der Saison 1996/1997 feierte man jede überstandene Runde wie einen großen Sieg – und hielt am Ende völlig verdient und gleichermaßen sensationell den UEFA-Cup in der Hand. Der haushohe Favorit Inter Mailand konnte im entscheidenden Finale in San Siro im Elfmeterschießen bezwungen werden. Der damalige Trainer war Huub Stevens, er blieb fast sechs Jahre bis 2002. Der FC S04 gewann zweimal den DFB-Pokal, 2001 und 2002. 2001 wurde die Mannschaft Vizemeister hinter dem FC Bayern München.
Der Umzug ins neue Stadion, die VELTINS-Arena fand 2001 statt. Seit Beginn konnte der S04 so gut wie immer 60.000 Fans zu Heimspielen begrüßen. Eine weitere Vizemeisterschaft folgt 2005 hinter dem FC Bayern München. Bei Assauer machten sich inzwischen Abnutzungserscheinungen bemerkbar. Die Ursache waren nicht einschätzbar, wurden im harten Fußballgeschäft aber auch nicht in den Blick genommen. Doch wurde entschieden, dass Assauer auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden rücken und Andy Müller als Manager das Tagesgeschäft übernehmen sollte. Die stellte gewissermaßen eine Degradierung dar. Zunächst stimmte der 61-Jährige dem Plan zwar zu, um aber kurz darauf seine Zustimmung zu diesem Schritt zurückzuziehen. Im Mai 2006 erfolgte dann die „einvernehmliche Trennung“. Assauers Weggang bedeutete eine Zeitenwende auf Schalke.
2011 enthüllte Rudi Assauer die traurigen Gründe für die beschriebenen „Abnutzungserscheinungen“. Er war an Alzheimer erkrankt, eine Krankheit, an der schon sein Vater und sein älterer Bruder gestorben waren. „Kein Mensch kann dir helfen, diese Krankheit kann keiner besiegen. Ich kämpfe, ich weiß nur nicht, gegen wen“, schilderte er seinerzeit seine Qualen und seine Verzweiflung.
Die Schalker Familie bewegte sich wieder auf ihn zu. 2012 wählten ihn die Vereinsmitglieder in die Ehrenkabine, die königsblaue „Hall of Fame“. Assauer wollte den Preis selbst entgegennehmen, doch seine Tagesform – der Krankheit geschuldet – ließ das schon nicht mehr zu. Sichtlich bewegt übernahm dies einer seiner früheren Spieler Gerald Asamoah.
Sieben Jahre lang dauerte Assauers vergeblicher Kampf gegen Alzheimer. Am 6. Februar 2019 starb er im Alter von 74 Jahren.