Reinhard Libuda hat als Stürmer auf dem rechten Flügel wie kaum ein anderer Spieler der Vereinsgeschichte die Fans des FC Schalke 04 begeistert. Seine Dribblings und Flankenläufe machten ihn bald zum Publikumsliebling. Wie der legendäre englischen Rechtsaußen Sir Stanley „Stan“ Matthews beherrschte der gebürtige Gelsenkirchener die Bewegung links antäuschen, rechts vorbeigehen in allen Varianten. So erhielt Libuda schon bald den Spitznamen „Stan“. Jeder Gegenspieler kannte zwar die Finte, doch konnte kaum einer den wendigen und flinken Außenstürmer an guten Tagen aufhalten. „LI-BU-DA, LI-BU-DA!“ hallte es dann tausendfach von den Rängen der Glückaufkampfbahn.
Libuda absolvierte für die Vereine FC Schalke 04 und Borussia Dortmund insgesamt 264 Bundesligaspiele und erzielte 28 Tore. In der Nationalmannschaft kam er in 26 Länderspielen zum Einsatz und erzielte drei Tore. Nach dem Ende seiner Sportkarriere hatte er Schwierigkeiten, Fuß zu fassen. 1974 übernahm er von Ernst Kuzorra einen kleinen Tabakladen in der Kurt-Schumacher-Straße, er lebte zurückgezogen in Gelsenkirchen-Haverkamp. Stan Libuda starb mit nur 52 Jahren nach einem Schlaganfall. Libudas sterbliche Überreste wurden 2022 in das Schalker Fan-Feld umgebettet.
Am 10. Oktober 1943 kam Libuda im Arbeiterviertel Haverkamp im Stadtteil Bismarck zur Welt. Mit acht Jahren spielte er bereits in der Schalker Jugend. Seine Lehre zum Maschinenschlosser schloss er nicht ab, da er mit 17 Jahren als Vertragsspieler verpflichtet war. Als 18-Jähriger gelang dem Rechtsaußen in der Saison 1962/1963 noch in der Oberliga West den Sprung in die erste Mannschaft.
1963 feiert er mit gerade 19 Jahren sein Debüt in der Nationalmannschaft. Doch 1965 steigt Schalke 04, gespickt mit Nationalspielern, aus der Bundesliga ab. Als feststeht, dass die Bundesliga aufgestockt wird und der S04 erstklassig bleibt, hat sich Borussia Dortmund bereits die Dienste des 21-Jährigen gesichert. Mit dem BVB wird er 1966 Vizemeister und gewinnt den Europapokal der Pokalsieger. Im Endspiel gegen Liverpool erzielt Stan den Siegtreffer.
Doch Libuda möchte wieder zurück zum S04. Erwin Kostedde, Mitspieler und Freund in der Bundeswehr-Nationalmannschaft, erinnert sich: „Libuda war Schalke und Schalke war Libuda. Immerzu erzählte er von Szepan und Kuzorra. Das waren seine Idole. Ich glaube, er war glücklich bei Dortmund, aber er war immer ein Schalker. Von Schalke kam er einfach nicht weg.“
Als Libuda im Sommer 1968 zum Schalker Markt zurückkehrt, wird er gefeiert wie der verlorene Sohn. Mit ihm ist der Abstiegskampf der vergangenen Jahre vorbei. Schalke 04 erreicht 1969 das Endspiel um den DFB-Pokal (1:2 gegen Meister Bayern München), 1970 das Halbfinale im Europapokal der Pokalsieger (1:0/1:5 gegen den späteren Sieger Manchester City).
Die Verehrung für Libuda veranschaulicht eine Anekdote, die sich so wohl nie ereignet hat, aber einfach zu gut erfunden ist. Sie erzählt von einem Plakat, auf dem der Slogan „Keiner kommt an Gott vorbei!“ gestanden habe. Und einer handschriftlichen Ergänzung: „außer Libuda“. Diese Spielzeiten sind auch Libudas beste Jahre in der Nationalmannschaft. Als er Deutschland mit seinem Siegtreffer zum 3:2 gegen Schottland am 22. Oktober 1969 zur WM nach Mexiko geschossen hat, ist er eine nationale Berühmtheit. Bei der WM sind die Libuda-Rufe nach seiner Galavorstellung beim 5:2 Sieg gegen Bulgarien auch in mexikanischen Stadien zu hören. Als gefeierter WM-Dritter kehrt die deutsche Elf nach dem legendären 3:4 im Halbfinale gegen Italien zurück.
Dafür hält das Fußball-Schicksal noch den Tiefpunkt und einen letzten Höhepunkt für ihn bereit: die Verstrickung in den Bundesliga-Skandal 1971 und den Gewinn des DFB-Pokals 1972. Klaus Fischer und Rolf Rüssmann erzählen viele Jahre nach dem Skandal übereinstimmend, dass Libuda als Kapitän des Teams von Anfang an gegen den Betrug ist: „Er hat gesagt: ‚Das machen wir nicht!‘ Die anderen älteren Spieler haben ihn dann bequatscht. Aber er war immer noch dagegen. Erst als hinterher das Geld in der Kabine war, hat er auch etwas genommen.“
Auf dem Platz so häufig ein Sieger, kann sich Libuda auch als Kapitän nicht immer durchsetzen, ein Machtwort sprechen. Das entspricht nicht seinem im Privatleben eher unsicheren Wesen. Als er am 1. Juli 1972 stolz den DFB-Pokal in die Höhe reckt, den der S04 durch ein furioses 5:0 im Endspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern gewinnt, liegt über allem bereits die Drohung der lebenslangen Sperre. „Davon habe ich mich nie erholt. Das hat mir die Lust am Fußball genommen“, wird er später erklären.
Nach dem Pokalsieg verkauft Schalke Libuda wegen der drohenden Sperre an Racing Straßburg und kassiert eine halbe Million D-Mark. Dort kommt Stan nie richtig in Form, verletzt sich bald schwer und hat Heimweh. Am 13. Januar 1973 sperrt ihn der DFB zunächst endgültig, danach auch der französische Verband. Straßburg löst den Vertrag auf.
Als Stan im Januar 1974 begnadigt wird, kehrt er zum zweiten Mal zurück zu seinem S04. Doch seine große Zeit ist vorüber. 1975 beendet er seine Laufbahn nach 259 Pflichtspielen und 37 Toren für seinen FC Schalke 04.
Seinem Herzensclub als Fan aber immer verbunden und verfolgt die Spiele von der Tribüne aus. Mit nur 52 Jahren stirbt er am 25. August 1996 viel zu früh. Als der S04 zwei Tage später im Parkstadion gegen den VfL Bochum antritt, hört man ein letztes Mal: „LI-BU-DA!“.