Rotthausen ist der Geburtsort eines der bedeutendsten deutschen Kommunisten des 20. Jahrhunderts - diese Tatsache ist allerdings mittlerweile ebenso in Vergessenheit geraten wie der geheimnisumwitterte Wilhelm Zaisser selbst, der nach einem bewegten Lebens als Berufsrevolutionär zum ersten Minister für Staatssicherheit der DDR aufstieg und dann jäh abstürzte. Als Zaisser im Jahr 1893 als Sohn eines Fußgendarmen in Rotthausen geboren wurde, galt das südlich von Gelsenkirchen gelegene Industriedorf als rote Hochburg - spätestens seit dem großen Bergarbeiterstreik von 1889. Zwar verbrachte er seine ersten elf Lebensjahre im Schatten der Zeche Dahlbusch, damals eine der größten Förderanlangen des Ruhrgebiet, war aber zunächst weit davon entfernt, ein klassenbewusster Arbeiter zu werden. Vielmehr verinnerlichte er die Werte eines staatstreuen und konservativen Beamtenhaushaltes.
Nachdem er in Essen eine Ausbildung zum Lehrer absolviert und seinen Militärdienst abgeleistet hatte, trat er im April 1914 eine Stelle als Volksschullehrer an, musste aber schon wenige Monate später wieder Uniform anziehen. Mit seinem Infanterieregiment kämpfte Zaisser seit Herbst 1914 vornehmlich an der Ostfront. Der begeisterte Soldat verschwendete noch keinen Gedanken an Politik, geschweige denn den Kommunismus, er hoffte vor allem auf den deutschen Sieg. Als Angehöriger der deutschen Besatzungstruppen in der Ukraine widerfuhr dem jungen Leutnant im Herbst 1918 dann das, was Lenin die Infizierung des deutschen Soldaten mit dem Geist der russischen Revolution nannte. Im revolutionären Chaos nach dem Waffenstillstand verbrüderte sich Zaisser gemeinsam mit seinem Regiment mit der Roten Armee, die Lektüre marxistischer Texte tat ihr Übriges. Nach seiner Rückkehr nach Essen trat Zaisser im September 1919 der neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei - vor allem die kommunistische Utopie des neuen Menschen scheint ihn fasziniert zu haben. Tagsüber arbeitete er als Volksschullehrer im Essener Segerothsviertel, nachts bereitete er den Umsturz vor. Als sich im Frühjahr 1920 die Arbeiter im Ruhrgebiet gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch erhoben, engagierte sich Zaisser in der militärischen Leitung der Roten Ruhr-Armee, deren Niederlage er aber nicht abwenden konnte. Zaisser entkam zwar dem Blutbad, das die Regierungstruppen nach ihrem Sieg im Ruhrgebiet anrichteten, musste aber 1921 eine mehrmonatige Haftstrafe in Kassel absitzen. Anschließend als Staatsfeind aus dem Lehrerberuf entlassen, gab es für ihn nur noch die Partei. „Tote auf Urlaub“ hatte der 1919 in München hingerichtete Kommunist Eugen Leviné Berufsrevolutionäre wie Zaisser genannt - Männer und Frauen, die ihr Leben vollständig in den Dienst der Weltrevolution stellten und bereit waren, es aufs Spiel zu setzen. Nach einer umfassenden geheimpolizeilichen Ausbildung in Moskau kam Zaisser nur noch selten ins Ruhrgebiet, wo seine Frau Else, die spätere Volksbildungsministerin der DDR, und seine 1924 geborene Tochter Renate noch bis 1928 lebten - er führte eine Ehe im Untergrund.
Als militärischer Berater unterstützte er im Auftrag der Kommunistischen Internationale antikoloniale Rebellionen in Syrien und Marokko. Später war er maßgeblich an der Organisation des großen kommunistischen Aufstands im chinesischen Kanton beteiligt, der allerdings blutig zusammenbrach. Später gelang es ihm, sich als honoriger Kaufmann getarnt in die deutsche Gemeinde in Schanghai einzuschleichen und deren Verbindungen zu dem nationalistischen Generalissimus Chiang Kai-Shek auszuspionieren. Nach einer Zwischenstation in Prag kam Zaisser 1932 an die Militärpolitische Schule der Komintern in Moskau, wo er auf der Grundlage seiner umfangreichen militärischen und konspirativen Erfahrungen den internationalen Nachwuchs der Revolution schulte. Unter dem Namen General Gomez kommandierte der fünfsprachige Zaisser die XIII. Internationale Brigade im Spanischen Bürgerkrieg. Nachdem er sich unsinnigen Befehlen widersetzt hatte, wurde er abgesetzt. Obwohl er durchaus unbequeme Auffassungen vertrat, wurde er aber nicht, wie viele andere Kommunisten, liquidiert - Stalins Arm erreichte auch Spanien. Zaisser übernahm vielmehr wichtige Funktionen in der Basis der Internationalen Brigaden in Albacete, zuletzt sogar das Kommando über alle internationalen Einheiten in Spanien.
Nach der Auflösung der Interbrigaden kehrte Zaisser Ende 1938 in die Sowjetunion zurück - auf dem Höhepunkt der stalinistischen Säuberungen, denen er und seine Familie, die seit 1932 dauerhaft in Moskau lebte, wie durch ein Wunder nicht zum Opfer fielen. Im Zweiten Weltkrieg schrieb er zunächst für kommunistische Zeitungen, bevor er zwischen Anfang 1943 und Ende 1946 er im Auftrag des sowjetischen Geheimdienstes deutsche Kriegsgefangene zu Antifaschisten umschulte, um Kader für das neue Deutschland zu gewinnen. Erst Anfang 1947 durfte Zaisser, den seine Zeitgenossen zwar als „hart und unerbittlich“, aber dennoch durchaus „menschlich“ beschrieben, nach Deutschland zurückkehren. Dort vollzog sich sein rascher Aufstieg im Polizei- und Unterdrückungsapparat der Sowjetzone und späteren DDR: Nach Stationen als Polizeichef in Halle, sächsischer Innenminister und Chef der Bereitschaftspolizei, wurde Zaisser Anfang 1950 Mitglied des Politbüros der SED und an die Spitze des neu gegründeten Ministeriums für Staatssicherheit gestellt, das er unterstützt von Erich Mielke bis 1953 leitete. Mielke war bereits in Spanien Zaissers Adjutant gewesen. In enger Abstimmung mit dem sowjetischen Geheimdienst - sein direkter Draht nach Moskau schien ihn auch intern unangreifbar zu machen - organisierte Zaisser den enormen Ausbau dieses neuen „Sicherheitskonzerns“, der sich, wie sein Biograph Helmut Müller-Engbers schreibt, „tief in die Gesellschaft“ hineinfraß. Dennoch wurde die Stasi vom Aufstand am 17. Juni 1953 überrascht. Von Walter Ulbricht für dieses Fiasko verantwortlich gemacht, wurde Zaisser entlassen und später als „Feind der Partei“ aus der SED ausgestoßen. Darüber verzweifelte der Parteisoldat: „Mich hat man fertiggemacht!“, soll er immer wieder gesagt haben. Sein Sturz erfolgte aus größter Höhe - Wilhelm Zaisser starb 1958 als gebrochener Mann.