150 Jahre IHK Nord Westfalen
Rede von Oberbürgermeister Frank Baranowski - Es gilt das gesprochene Wort –
23. November 2004, 00:00 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
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150 Jahre IHK Nord Westfalen, das sind 150 Jahre Selbstverwaltung der Wirtschaft, zu denen ich Ihnen sehr herzlich gratuliere. Wiewohl die Stadt Gelsenkirchen mit ihren nunmehr 130 Jahren deutlich jünger ist, dürften die Unternehmen, die sich vor 150 Jahren auf unserem Stadtgebiet angesiedelt hatten, mit großem Interesse wahrgenommen haben, was sich damals in Münster tat. Denn Gelsenkirchen und andere Teile des Regierungsbezirks Münster gehören ja erst seit der Neuordnung des Kammerrechts 1871 zum Vorläufer der IHK Nord Westfalen.
Die IHK Nord Westfalen hat ihre Dienstleistungen für die Unternehmen in diesen 150 Jahren beständig erweitert. Sie hat sich aber auch zu einem Sprachrohr der Wirtschaft entwickelt, das Gehör findet und dessen Kompetenz von den Gesprächspartnern hoch geschätzt wird. Ich freue mich darüber, dass ich Ihnen im Rahmen dieses großen Jubiläums bereits die ersten Grundzüge erläutern kann, die uns in Gelsenkirchen nach meiner Auffassung in den nächsten Jahren leiten sollten. Eines ist klar: Wir wollen in den kommenden Jahren so viele neue Arbeitsplätze wie möglich nach Gelsenkirchen holen. Dadurch werden wir die Kaufkraft erhöhen, sodass die Gelsenkirchener Wirtschaft als Ganzes gewinnt.
Im 19. Jahrhundert, in den Jugendjahren der IHK, entwickelte sich die Wirtschaft in enormen Sprüngen. Aus diesem Boom entstand das Ruhrgebiet, wie wir es kennen – als Ergebnis einer Wertschöpfungskette - oder wie wir heute sagen: aus einer Clusterbildung -, an deren Anfang die Kohle stand. Diese Kette ist mittlerweile brüchig geworden. In den alten Kernbereichen sind zehntausende Arbeitsplätze verloren gegangen. Aber das Ruhrgebiet und gerade auch Gelsenkirchen haben neue Kompetenzen entwickelt. Anders als in früheren Jahrzehnten, als sich alles um Kohle und Stahl drehte, gibt es heute eine Vielzahl von Kompetenzfeldern. In diesen Kompetenzfeldern stecken neue Chancen für die Unternehmen in Gelsenkirchen und für das Ruhrgebiet als Ganzes. Mit anderen Worten: Wir werden die Stärken, die Gelsenkirchen besitzt, noch weiter stärken. Gleichzeitig gilt es aber auch, aus Schwächen Stärken zu machen.
Das Kompetenzfeld, das in und außerhalb von Gelsenkirchen immer bekannter wird, ist die Solarenergie. Dieses Feld hat sich in den letzten fünf Jahren stark ausgedehnt: Zu den Produzenten von Solarzellen und Modulen sind längst Handwerker und Architekten hinzugekommen, die den Einbau der Anlagen planen und sie schließlich montieren. [Ein weiteres Unternehmen, das in Gelsenkirchen rund 200 Arbeitsplätze im Bereich Solarenergie schaffen will, ist zurzeit in Verhandlungen.] Doch in Zukunft werden wir noch stärker als bisher auf unterschiedliche Formen der Zukunftsenergien setzen.
Die Konferenz „renewables“, die im vergangenen Sommer in Bonn Experten aus aller Welt zusammenführte, hat eindrucksvoll deutlich gemacht, welchen Stellenwert den neuen Formen der Energiegewinnung in den nächsten Jahrzehnten zukommen wird. Und das war nur der Anfang. Bereits heute sind zwölf Gelsenkirchener Projekte für Zukunftsenergien in der Ausstellung des Ruhr Energie Zentrums zu sehen. Damit ist mehr als ein Viertel der Projekte, die dort vorgestellt werden, in Gelsenkirchen beheimatet. Neben der Solarenergie haben wir in Gelsenkirchen mit der Energiegewinnung aus Biomasse und mit modernsten Methoden zur Steigerung der Energieeffizienz viele Verknüpfungspunkte, die die Ansiedlung für weitere Firmen gewinnbringend machen. Insbesondere auch das innovative Energiekonzept für die Fläche Graf Bismarck, an dem die LEG und die Stadt gemeinsam mit allen lokalen Akteuren arbeiten, wird für große Aufmerksamkeit sorgen und Gelsenkirchens Kompetenz in Energiefragen weithin sichtbar machen.
Stark aufgestellt ist Gelsenkirchen überdies in der Logistik. Wir haben eine sehr gute Verkehrsinfrastruktur – ob Straßen, Wasserwege oder Bahnanbindung. Wichtige Autobahn-Teilstücke werden zurzeit weiter ausgebaut. Darüber hinaus haben wir Logistik-Unternehmen, die zu den innovativsten ihrer Branche gehören. Wir sind im Bereich Logistik schon jetzt so stark, dass sich dort bereits ein weiterer Cluster bildet.
Die Gesundheitswirtschaft wird in Zukunft zu den neuen Standbeinen der Gelsenkirchener Wirtschaft gehören. Die gesamte Emscher-Lippe-Region und insbesondere auch Gelsenkirchen sind in diesem Bereich bereits jetzt ausgesprochen stark aufgestellt. Lassen Sie mich nur einige Fakten nennen: Rund 16 Prozent aller Gelsenkirchener Beschäftigten arbeiten in dieser Branche, die damit der größte Arbeitgeber der Stadt ist. Gelsenkirchen hat die höchsten Patientenzahlen in ganz Nordrhein-Westfalen, weil sich viele Menschen aus anderen Städten bei uns behandeln lassen. In der Fachhochschule und im Institut Arbeit und Technik ist hochrangiges Expertenwissen gebündelt. Im Berger Feld entwickelt sich mit dem Hotel und dem Reha-Zentrum ein Leuchtturm-Projekt, das unsere Stadt bestens nach außen repräsentiert und das weitere Investitionen anziehen wird.
Die Gesundheitswirtschaft und insbesondere die Seniorenwirtschaft sind Wachstumsbranchen. Der Wert, den die Menschen Gesundheit und Wohlbefinden beimessen, steigt immer weiter und ebenso ihre Bereitschaft, dafür auch über den Krankenkassenbeitrag hinaus Geld auszugeben. Überdies ist die Seniorenwirtschaft die Antwort auf die demografische Entwicklung, die das Ruhrgebiet durchläuft. Denn die Zahl der Älteren steigt, und mit ihr steigt die Nachfrage nach Waren, insbesondere aber nach Dienstleistungen rund um das Älterwerden.
Wenn wir in Gelsenkirchen diese Dienstleistungen anbieten – ganz in der Nähe der Wohnung, in diversen Formen und zu unterschiedlich abgestuften Preisen -, dann ist das ein Plus auch für die Menschen, dann hebt das auch die Attraktivität Gelsenkirchens als Wohnort. Denn die Senioren wissen: Hier bekomme ich alles, was ich brauche, wenn ich einmal Hilfe benötige. Durch die neuen Angebote der Seniorenwirtschaft können weitere Arbeitsplätze entstehen, sodass mehr junge, aktive Menschen in unsere Stadt ziehen werden.
Für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Gesundheitswirtschaft einen hohen Stellenwert. Im Masterplan, der vom kommenden Jahr an umgesetzt werden soll, steht die Emscher-Lippe-Region auf einem der vordersten Plätze. Gerade Gelsenkirchen geht mit einer Vielzahl von Pluspunkten ins Rennen. Wir haben gute Voraussetzungen, um unsere Potentiale in den Bereichen Dienstleistungen und Fortbildung zu einer Marktführerschaft in Nordrhein-Westfalen auszubauen. Aber auch für die Logistik der Gesundheitswirtschaft – und hier schließt sich der Kreis zu meinem vorhergehenden Punkt – findet sich bei uns in Gelsenkirchen ein Kompetenzschwerpunkt, der einzigartig ist und den es zu nutzen gilt.
Doch bei allem, was wir für die Zukunft planen, stehen die Gelsenkirchener Firmen, die sich bereits hier etabliert haben, an erster Stelle. Wir wollen von Seiten der Stadt alles dafür tun, damit sie hier ein positives Klima vorfinden und damit sie optimal arbeiten können. Dazu gehört neben der klassischen Wirtschaftsförderung auch, dass wir stark in die Bildung der Kinder und Jugendlichen investieren werden. Die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ein wichtiger Aktivposten. Deshalb wollen wir dafür sorgen, dass junge Menschen ein optimales Rüstzeug für ihr Berufsleben bekommen. Schon in den Kindergärten werden wir verstärkt auf Sprachförderung setzen – und zwar nicht nur bei den Kindern ausländischer Eltern. Ich möchte, dass die Jugendlichen fit sind für das Berufsleben, wenn sie die Schule verlassen. Und ich möchte, dass sich die Jugendlichen in den Betrieben qualifizieren und wertvolle Mitarbeiter werden.
Wir sehen die Aufgabe der Stadt selbstverständlich darin, neue Betriebe nach Gelsenkirchen zu holen. Wir sehen unsere Aufgabe aber in erster Linie darin, die Gelsenkirchener Betriebe zu unterstützen, indem wir ihnen die bestmöglichen Rahmenbedingungen anbieten. Dazu gehört für mich ein kluges Gewerbeflächenmanagement, dazu gehört die Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft und dazu gehört es, Neugründungen, an denen sich Gelsenkirchener Firmen beteiligen, intensiv zu begleiten.
Oberstes Ziel ist es, dass sich die Unternehmen in Gelsenkirchen am richtigen Ort fühlen, dass sie zum Standort Gelsenkirchen stehen. Dann wird es uns ein Leichtes sein, diese positive Einstellung auch nach außen zu tragen. Wenn wir die Botschafter des positiven Images Gelsenkirchens sind, dann werden wir mit unserem Engagement eine gute Resonanz für den Standort Gelsenkirchen schaffen. So wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wird, seine Ringe zieht, so wird es auch Früchte tragen, wenn wir das gute Klima für die lokale Wirtschaft bekannt machen. Ich freue mich darauf, mit Ihnen gemeinsam für mehr Investitionen und für mehr Arbeitsplätze in Gelsenkirchen zu arbeiten.