14. Juni 2009, 10:41 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Liebe Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener,
wir haben uns heute hier versammelt, um ein Zeichen zu setzen.
Ein Zeichen gegen Ausgrenzung, ein Zeichen gegen Intoleranz, Hass und Gewalt.
Denn heute will die selbsternannte "Bürgerbewegung", die Partei „Pro NRW" in Schloß Horst ihren Parteitag abhalten. Indem wir hier sind, setzen wir ein klares Zeichen - ein Zeichen gegen „Pro NRW".
Wir zeigen den Rechtsextremisten und Rechtspopulisten dieser Partei, die rote Karte.
Denn sie berufen sich auf demokratische Grundrechte und nehmen unser Schloß für Ihre Propaganda in Anspruch.
Aber mit der pluralen Vielfalt unserer verfassten Demokratie haben sie nichts, aber auch gar nichts im Sinn.
Sie stehen für Einfalt statt Vielfalt.
Unser Protest ist vielfältig - diese Partei jedoch ist schlicht einfältig.
Wir feiern in diesen Tagen 60 Jahre Grundgesetz.
Und das heißt auch: 60 Jahre wehrhafte Demokratie.
Pro NRW ist (leider) nicht verboten und so dürfen Sie auch in Schloß Horst tagen. So sagen es die Gerichte.
Das heißt aber nicht, dass wir dem Treiben schweigend zuschauen müssen.
Es ist die Freiheit unseres Grundgesetzes, von der wir heute Gebrauch machen.
Es ist die Versammlungsfreiheit, die Meinungsfreiheit und auch die Freiheit der Kunst. Es ist unsere Freiheit als freie Menschen in einer freien Gesellschaft.
Und wir nutzen unsere Freiheiten um diese zu erhalten, um unsere Demokratie zu verteidigen!
Wann immer die Einfaltspinsel vom rechten oder ganz linken Rand unsere freie Demokratie bedrohen, heißt wehrhafte Demokratie, dass sich Demokratinnen und Demokraten wehren müssen.
Wir müssen als Zivilgesellschaft reagieren - und das tun wir!
Wir machen deutlich, dass wir diesen Parteitag von Pro NRW zumindest nicht widerstandslos hinnehmen.
Wir demonstrieren, dass rechte Populisten hier keine Chance haben, unwidersprochen ihre menschenverachtenden Thesen zu verbreiten.
Dass wir in Gelsenkirchen bereit sind, für Freiheiten, für unsere demokratischen Werte und für das Grundgesetz zu kämpfen, das haben wir eindrucksvoll vor 3 Jahren gezeigt. Damals, als wir dem Aufmarsch von rechtsextremen Verfassungsfeinden in einem breiten, bunten, friedlichen, aber lauten Gegenprotest zur Fußball-WM entgegentraten.
Mich hat das damals tief bewegt und stolz gemacht.
Auf Gelsenkirchen, auf die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Und so ist es auch heute!
Johannes Rau hat in seiner Rede als frisch gewählter Bundespräsident uns allen noch einmal in Erinnerung gerufen, dass der Artikel 1 des Grundgesetzes nicht aus Zufall am Anfang steht.
Und er den besonderen Ewigkeitsschutz unserer Verfassung hat und verdient.
Da steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar." Nicht etwa: nur die Würde des deutschen Menschen ist unantastbar.
Wir alle, die wir in unserer Stadt, in unserem Land zusammenleben, können dies friedlich nur tun, wenn wir einander respektieren.
Einander auf gleicher Augenhöhe begegnen und einander die gleiche Würde zuerkennen.
Wer die Pamphlete dieser sogenannten Bürgerbewegung zur Kenntnis nimmt, wird schnell merken, dass sie genau hiermit Probleme haben: Alle Menschen, gleich von Geschlecht, Herkunft oder Weltanschauung und Religion mit der gleichen Achtung zu begegnen, ihnen die gleiche Würde zuzuerkennen - auch die gleichen Rechte.
Liebe Demokratinnen und Demokraten,
wenn wir derzeit feiern, dass unser Grundgesetz seit nunmehr 60 Jahren besteht, friedlichen Jahren, dann hat das auch damit zu tun.
Damit, dass die Verfassung nicht nur ein Stück Papier ist, sondern von vielen, vielen gelebt wird. Menschen, die sich gesellschaftlich engagieren, in Parteien oder Gewerkschaften aktiv sind, Bürgerinitiativen gründen, sich ehrenamtlich für eine Sache einsetzen. Menschen, die sich für unsere Demokratie stark machen. Menschen wie Ihr!
Deshalb sage ich heute auch „Danke".
Danke, dass Ihr hier seid! Danke der Demokratischen Initiative und den Falken. Den beteiligten Bands vom Musikprobenzentrum. Den vielen, die mitgeholfen haben, die selbstverständlich sofort dabei waren, diesen Protest zu organisieren.
Die 19 Artikel, in denen unsere Grundrechte niedergeschrieben sind, entstanden in einer Zeit, in der die Menschen sich noch sehr gut an Terror und Willkür der NS-Zeit erinnerten. Damit solches Unrecht nie wieder geschieht, formulierten die Verfassungsväter und -mütter Freiheiten, die uns alle angehen. Doch das Recht auf ein freies Leben gibt es nicht zum Nulltarif. Wir alle, wir Bürgerinnen und Bürger müssen diese, unsere Grundrechte jeden Tag aufs Neue verteidigen.
Oft geschieht das sehr leise. Doch heute müssen wir sehr laut „Nein!" sagen. Wir setzen gemeinsam ein Zeichen gegen die Feinde der Demokratie. Ich bin froh, dass so viele aufrechte Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener gekommen sind, um Pro NRW die kalte Schulter zu zeigen.
Und als Oberbürgermeister dieser Stadt sage ich laut und deutlich:
Die, die sich heute im Schloss versammeln, waren zu keiner Zeit willkommen, sie sind heute nicht willkommen und sie werden niemals in Gelsenkirchen willkommen sein.
Glück auf!