30. August 2018, 16:58 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Rede von Oberbürgermeister Frank Baranowski zur Einbringung des Haushaltes 2019
- Es gilt das gesprochene Wort –
Meine sehr geehrten Damen und Herren im Publikum,
meine sehr geehrten Damen und Herren Stadtverordnete,
wie stets hat auch diese erste Ratssitzung nach der Sommerpause eine sehr übersichtliche Tagesordnung – und zugleich eine ausgesprochen weitreichende. Es ist eine Tagesordnung mit einem Schwergewicht auf die Planung des kommenden Jahres, mit dem Blick in die Zukunft, auf einen möglichst stimmigen Zukunftsentwurf im Haushalt 2019.
Und damit beginnen wir am Ausgang eines besonderen Sommers – wahlweise nach einem Jahrhundertsommer oder nach dem Vorboten eines neuen Klimas. Wobei ich den Eindruck nicht loswerde, dass diese wochenlange Hitze auch etwas Symbolisches hatte und hat.
Sie steht, dafür braucht man nicht allzu viel Phantasie, für eine merkwürdig fiebrige Stimmung, die uns schon eine Weile begleitet. Für eine überhitzte politische Kultur, in der internationale Führungspersonen immer neue Volten schlagen und alles andere als gute Vorbilder sind; in der der bayrische Wahlkampf monatelang fast die gesamte Republik lähmt; in der ein Landesinnenminister – und damit ein Verfassungsminister – vorschlägt, dass sich Rechtsstaatlichkeit am Empfinden der Leute ausrichten solle. Und damit habe ich noch nicht die Ereignisse von Dresden und Chemnitz erwähnt, die mit zum Gesamtbild gehören, die sowohl Ausdruck wie Folge einer beunruhigenden Stimmungslage sind.
Irgendwie scheint es aus der Mode zu kommen, dass man sich ernsthaft mit Fachfragen auseinandersetzt – weil es doch so einfach und bequem ist, sich zu empören – und Empörung zu schüren.
Wenn man also aus dieser Stimmungslage kommt und nun eine so weitreichende Entscheidung vor sich hat wie die über ein ganzes Haushaltsjahr, dann ist es vielleicht nicht schlecht, sich in Erinnerung zu rufen, was für uns eigentlich handlungsleitend sein kann.
Wie reagieren wir als Vertreter der kommunalen Selbstverwaltung auf diese Stimmungslage? Was kann und muss uns leiten? Wie reagieren Sie, der Rat, der ehrenamtliche Teil der kommunalen Selbstverwaltung, das wichtigste Gremium der Gelsenkirchener Bürgerbeteiligung, auf diesen Haushalts-Entwurf – erstellt von der hauptamtlichen Seite der kommunalen Selbstverwaltung, wofür ich übrigens der Kämmerei und allen Beteiligten auch in diesem Jahr wieder besonders danken möchte.
Ich weiß nicht, wie Ihre spontane Antwort lautet, aber ich bin der Auffassung, dass es kaum anders geht als so: Wir reagieren, indem wir Verantwortung übernehmen.
Wir reagieren, indem wir bei dem verbreiteten Empörungswettlauf nicht mitspielen, sondern unsere Aufgaben übernehmen. Nicht die des Landes und der Polizei, nicht die von Bund oder EU. Sondern unsere.
Wir reagieren, indem wir leisten, was unsere Aufgabe im politischen Gefüge dieses Landes ist, was wir als gewählte Bürgerinnen und Bürger in der kommunalen Selbstverwaltung und für die kommunale Selbstverwaltung leisten müssen: Wir kehren vor unserer Haustür. Wir tun, was unsere Aufgabe ist, was uns niemand abnimmt – und oft genug tun wir natürlich noch ein bisschen mehr.
Wir reagieren, indem wir uns ernsthaft mit Fachfragen befassen – und nicht reflexhaft, sobald es schwierig wird, einen Bürgerentscheid verlangen.
Und wenn Sie dieses Ethos nun als staatstragend empfinden und denken: Ach, der Baranowski... Meinetwegen. Aber dann möchte ich doch fragen: Haben Sie eine Alternative? Ist es nicht gerade jetzt nötig, dass wir diesen Staat tragen, dass wir ihn schützen und in seiner Handlungsfähigkeit erhalten? Und wer, bitte, soll das tun, wenn nicht Sie und ich?
Die Handschrift dieses Haushalts: Mut, Beharrlichkeit, Entschlossenheit
Der vor Ihnen liegende Haushaltsentwurf macht für diese Aufgabe konkrete Angebote – und er macht an einzelnen Stellen vermutlich sogar überraschende Vorschläge. Dabei trägt er eine klare Handschrift, er ist gekennzeichnet von mindestens drei Grundzügen:
Erstens von unserer Beharrlichkeit, auch bei hartnäckigen Problemen nicht nachzulassen und nochmals neue Ansatzpunkte zu suchen.
Zweitens von unser Entschlossenheit, klare Akzente zu setzen und noch stärker als bisher auf die Durchsetzung von Normen zu dringen.
Und drittens von unserem Mut, etablierte Strukturen auf den Prüfstand zu stellen und, wenn nötig, noch einmal neue Lösungen zu finden.
Kurzum: Wir erarbeiten konstruktive Lösungen für unsere Stadt – auch dann, wenn wir Gegenwind haben. Und dass es bei diesen Haushaltsplanungen finanzpolitischen Gegenwind geben wird, das war durchaus absehbar.
Drei Faktoren hatten uns zuletzt zwei außergewöhnliche Haushaltsjahre beschert: Der Stärkungspakt, dazu auskömmliche Schlüsselzuweisungen, obendrein eine selten gute Ertragslage bei der Gewerbesteuer. 2017 haben wir laut Entwurf des Jahresabschluss einen Überschuss von 34 Millionen Euro erzielt. 2018 haben wir dann schon ohne neue Schulden geplant. Aller Voraussicht werden wir auch dieses Jahr mit einem Überschuss abschließen.
Keine Frage: Wir würden uns alle glücklich schätzen, wenn es so weiter ginge. Wenn wir dauerhaft diesen Rückenwind hätten. Jedoch war uns allen von Anfang klar, dass das so nicht kommen wird.
Es war klar, denn erfahrungsgemäß unterliegt die Gewerbesteuer gerade in unserer Stadt enormen Schwankungen, hinzu kommt noch ein erhebliches Rückforderungsrisiko. Deshalb war absehbar, dass das Pendel bald wieder in einer andere Richtung ausschlägt. Wirklich ärgerlich ist allerdings, dass das Land ausgerechnet die außergewöhnlich positive Ertragslage 2016/17 der Gewerbesteuer zum alleinigen Maßstab macht für unseren zweiten großen Einnahmeblock, für die Schlüsselzuweisung. In der Konsequenz heißt das: Wir müssen 2019 auf der Einnahmeseite mit erheblichen Einbußen zurechtkommen. Und das macht den Haushaltsausgleich erneut zu einem Thema.
Verantwortungsvolles Haushalten
Das macht ihn zu einem echten Thema, wenngleich es dafür eine Lösung gibt, und zwar eine, die sich geradezu aufdrängt. Denn zwei Haushaltsüberschüsse nacheinander bieten durchaus eine ausreichende Reserve für den Haushaltsausgleich 2019.
Spare in der Zeit, so hast Du in der Not: Das ist kein ganz neues Prinzip. Das kennen wir alle. Und nach Möglichkeit halten wir uns daran. Vor einer Weile hätte man gesagt: So macht das die schwäbische Hausfrau. Heute möchte ich gerne anfügen: Nicht nur sie. Denn verantwortungsvoller Umgang mit öffentlichem Geld im Ruhrgebiet, der sieht genauso aus!
Nun ist es aber so, dass auf Anweisung der Landesregierung Münster Bedenken gegen den Einsatz unserer Rücklage äußert – und das darf man durchaus überraschend finden. Denn dass es schwer war, unseren städtischen Haushalt in Jahren äußerst knapper Mittel zu einem Ausgleich zu bringen – damit musste man leben, damit konnte man leben. Dass es jetzt aber nicht möglich sein soll, einen Ausgleich zu erzielen, obwohl man die Mittel dafür selbst in petto hat – das ist dann doch nun wirklich nur schwer nachvollziehbar! Ich jedenfalls weiß nicht, wie wir das den Bürgern vermitteln sollen!
Darum bringen wir diesen Haushalt so ein, wie es richtig ist – indem wir den Ausgleich durch unsere eigenen Rücklagen leisten. Und das im Bewusstsein, dass wir dazu in den nächsten Wochen noch weitere deutliche bis strittige Gespräche mit dem Land führen müssen!
Erfolge verschwinden nicht hinter neuen Herausforderungen
Das, meine Damen und Herren, ist die finanzpolitische Seite dessen, was ich als Gegenwind bezeichnen möchte. Dazu kommen weitere Herausforderungen für 2019: Der neue Andrang auf unsere Bildungseinrichtungen, die aktuelle Armutszuwanderung. Auch da müssen wir neue Antworten finden!
Aber ehe ich darlege, in welcher Form wir das tun, möchte ich noch eins sagen. Es gibt da etwas, was wir angesichts der alten wie neuen Herausforderungen nicht vergessen sollten – und was angesichts aller Empörungsschleifen und Aufgeregtheiten nicht untergehen darf: Wir haben in Gelsenkirchen in den vergangenen Jahren Erfolge erzielt. Erfolge, die Bestand haben. Die da sind, und die auch bleiben werden.
Denn es ist ja so, das lässt sich nicht abstreiten: Die objektiven Rahmenbedingungen für unsere Stadt, die haben sich in den zurückliegenden Jahren verbessert – Schritt für Schritt. Und durch den Haushalt 2019 werden sie sich nochmals verbessern!
Warum? Weil wir eine Stadt sind, die seit einem Jahrzehnt einen nachhaltigen Arbeitsplatzaufbau hinlegt! Jahr für Jahr entstehen im Schnitt gut 1.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze – und wir haben gerade im vergangenen Jahr weitere Erfolge erzielt. Ich denke da an Ansiedlungen wie Bilstein und Bleistahl, an die Expansion von Gelsenkirchener Unternehmen wie Stölting oder Schülerhilfe. Selbst der Kampf um ZF könnte noch zu einem Erfolg führen – was, wenn es so kommt, ein Erfolg von vielen Beteiligten wäre. Auch die Stadt, auch der Rat haben dazu ihren Beitrag geleistet.
Wir sind – um ein zweites Beispiel zu nennen – die Stadt, die den Ausbau des Glasfasernetzes betrieben hat wie kaum eine andere, die damit eine exzellente Infrastruktur für die digitale Zukunft vorzuweisen hat, auf die viele mit Staunen und wohl auch mit etwas Neid blicken. Wir haben inzwischen eine Stabsstelle und Arbeitsstruktur aufgebaut, die weiter dafür sorgen wird, dass wir uns als Vernetzte Stadt etablieren und entfalten!
Wir sind die Stadt, die trotz Finanznot sehr ordentliche Schulgebäude erhält – und Kitas natürlich auch. Wer das für eine zu selbstbewusste Äußerung hält, der möge mal eine Exkursion in eine der wohlhabenderen Städte machen. Da sehen die Schulen ganz sicher nicht besser aus als bei uns! Und keine – ich wiederhole: keine! – andere Stadt in NRW hat wie wir sämtliche Schulen mit Gigabit-Geschwindigkeit ans Glasfasernetz angeschlossen! Sprechen Sie einmal mit den Lehrern oder mit den Kindern, wie viel Spaß es macht, mit den neuen White-Boards zu unterrichten und zu lernen! Dann erfahren Sie: Das ist kein Gimmick, sondern ein echter Trumpf der Gelsenkirchener Bildungslandschaft! Das ist etwas, was neue und starke Bildungserlebnisse möglich macht!
Und weiter sind wir die Stadt, die städtebauliche Herausforderungen angenommen hat, die ihre Zentren wieder belebt hat, in Buer wie in der City, begonnen mit dem Umbau der Domplatte und des Heinrich-König-Platzes, jetzt fortgesetzt mit der Neugestaltung der Zentralen Omnibusbahnhöfe, dazu die Arbeiten an der Ebertstraße. Und all das wird angenommen von den Menschen, es wird gekrönt mit schönen, regelmäßigen Veranstaltungen wie den Feierabendmärkten, die Leben in die Zentren bringen!
Und damit diese Entwicklung so weitergeht, stellen wir auch im Haushalt 2019 den städtischen Beitrag für ein City-Management in Buer und in der City ein – selbst wenn nach zwei Dritteln des Jahres der Beitrag der Buerschen Einzelhändler für 2018 noch unklar ist, den ein City-Management nun ebenfalls braucht.
Und nicht zuletzt sind wir die Stadt, die mehr Stadterneuerungsprogramme je Einwohnerzahl aufgesetzt und durchgeführt hat als jede andere Großstadt in Deutschland; eine Stadt, die das Wohnumfeld der Bürgerinnen und Bürger attraktiver gestaltet – und da machen wir natürlich weiter, auch 2019, von Hassel bis Rotthausen!
Auf welche Kriterien kommt es an?
All das sind Erfolge und Errungenschaften, Früchte harter Arbeit – die von den aktuellen Herausforderungen nicht geschmälert werden können. Man kann, man darf, man muss sie wahrnehmen. Wer diese Erfolge ausblendet, muss schon sagen, warum er das tut.
Und darum frage ich mich, welches gedankliche Gerüst eigentlich die Autoren von Studien und Rankings haben, wenn sie Städte vergleichen – aber ein für die Zukunft so elementar wichtigen Bereich wie die digitale Infrastruktur komplett weglassen? Kann man ein solches Papier überhaupt ernst nehmen? Darf man das wirklich „Studie“ nennen?
Oder wenn sie an der Spitze Städte wie München, Starnberg oder Potsdam platzieren – Gemeinden, in denen inzwischen selbst Akademiker-Doppelverdiener-Paare kaum mehr eine Wohnung finden, geschweige denn sich ein eigenes Häuschen leisten können – und Familien mit Kindern schon mal gar nicht. Da muss man doch fragen: Von welcher Lebensqualität reden wir denn eigentlich?
Oder besser gesagt: von wessen Lebensqualität? Ist die Lebensqualität der oberen Zehn- oder vielleicht auch Einhunderttausend das einzige Kriterium, das in diesem Land zählt? Kommt es auf die anderen gar nicht mehr an?
Und müssten sich nicht auch die Autoren von großangelegten Studien mal selbst ein Bild machen, statt nur eine Handvoll Indikatoren zu vergleichen? Vielleicht hätte es ja sogar gereicht, einfach nur Fernsehen zu schauen, eine halbe Stunde „Feuer und Flamme“ im WDR zum Beispiel. Und das nicht nur, weil die Feuerwehrleute aus Gelsenkirchen da so unheimlich sympathisch rüberkommen. Sondern weil man dort eben auch sehen konnte, wie gut in Gelsenkirchen für die öffentliche Sicherheit gesorgt ist; weil einem dabei doch auffallen muss, dass da fast nur neue Einsatzwagen im Bild sind und das Zentrum des Geschehens eine neue, exzellent ausgestattete Feuerwache ist! Gehört diese Ausstattung, gehören diese Investitionen in öffentliche Sicherheit etwa nicht zur Lebensqualität?
Und diese Bilder waren und sind ja kein Zufall. Wir haben die Wache und die Wagen auch nicht extra fürs Fernsehen angeschafft. Es ist ja genau umgekehrt – diese Ausstattung war mit einer der Gründe, warum das Filmteam zu uns gekommen ist!
Ein Durchbruch: Der Soziale Arbeitsmarkt
Nun, vielleicht darf man als Auftragnehmer des ZDF kein WDR sehen… Aber wie dem auch sei: Ich wehre mich dagegen, dass man unsere Stadt auf einzelne Indikatoren reduziert – und die dann noch doppelt und dreifach gewichtet! Das wird ihr vorne und hinten nicht gerecht! Und das hat auch nichts damit zu tun, dass wir die Probleme nicht sehen. Natürlich sehen wir die. Das ist doch völlig unstrittig: Einzelne Indikatoren stehen für erhebliche Probleme. Aber sie sind eben nicht das ganze Bild!
Dabei scheue ich mich doch gar nicht, über die Probleme zu sprechen. Wir sehen sie doch, und wir packen sie auch an. Die anhaltende Langzeitarbeitslosigkeit und die damit verbundene Armut in unserer Stadt – das ist ein gewaltiges Problem.
Das ist zudem ein Komplex, der schwer zu bekämpfen ist, wenn man dabei so wenig Unterstützung bekommt, wie wir das in all den Jahren und Jahrzehnten bekommen haben! Dass sich dann die Problemlagen verfestigen, muss einen nicht wundern.
Und dennoch – ich habe es vorhin gesagt: Wir handeln mit Beharrlichkeit, mit dem Willen, selbst hartnäckige Probleme weiter zu anzugehen und auch nach Jahren noch neue Ansatzpunkte zu finden. Wir tun das mit allen, wirklich allen Mitteln, die wir haben. Und mit den Möglichkeiten, die sich bieten. Auch wenn man dafür einen weiten Weg gehen muss.
Darum habe ich Anfang des Jahres in den Koalitionsverhandlungen in Berlin mit wenigen Anderen dafür eingesetzt, dass dieses Thema endlich einmal nicht übergangen wird – und das mit Erfolg. Genau deshalb – und auch nur deshalb – ist nun auch zum ersten Mal überhaupt ein Programm zum Sozialen Arbeitsmarkt in den Koalitionsvertrag einer Bundesregierung aufgenommen worden!
Das darf man durchaus als einen Durchbruch bezeichnen: Der Bundesarbeitsminister war hier, die Vorbereitungen laufen an; es wird einen Sozialen Arbeitsmarkt in Gelsenkirchen geben!
Und selbst wenn sich das nicht mit großer Wucht in der Arbeitslosenstatistik niederschlagen wird, so müssen wir doch sagen: Wir werden Menschen eine Chance geben können, eine echte Chance, ihr Leben in den Griff zu bekommen! Und das wird einen Unterschied machen! Es wird einen Unterschied machen für das Leben von mehreren hundert Frauen und Männern in Gelsenkirchen! Und das ist etwas, selbst wenn es uns nicht in zweifelhaften Rankings zehn Plätze nach oben bringt!
Weil es unsere Stadt ist: Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit
Übrigens haben wir auch bei einem zweiten Thema einen Fuß in die Tür bekommen. Bei den gleichen Koalitionsverhandlungen habe ich mit darauf hingewirkt, dass auch das Thema Zuwanderung aus Südosteuropa mit in den Koalitionsvertrag aufgenommen wird. Welche Konsequenzen das hat und haben kann, das müssen wir sehen. Dafür müssen wir weiter kämpfen. Aber immerhin: Da gibt es nun eine Anspruchsgrundlage!
Meine Damen und Herren,
ich habe im vergangenen Jahr an dieser Stelle die Gründung eines neuen Referates angekündigt, in dem die Aufgaben Sicherheit und Ordnung gebündelt und koordiniert werden. Und so ist es gekommen. Wir haben die zwölf Monate seither intensiv genutzt, es gibt inzwischen das Referat 32, es ist Ausdruck unserer erwähnten Entschlossenheit, klare Akzente zu setzen und noch stärker als bisher auf die Durchsetzung von Normen zu dringen.
Das heißt: Wo es Beschwerden gibt, gehen wir ihnen nach. Der Verkehrs-Überwachungsdienst – bei dem wir das Personal verdoppelt haben – und der Kommunale Ordnungsdienst – den wir mehrfach aufgestockt haben und weiter aufstocken – zeigen verstärkt Präsenz in unserer Stadt, gerade rund um den Bahnhof oder an der Bismarckstraße. Wir haben eine ganze Reihe neuer Tatbestände in die Ordnungsbehördliche Verordnung aufgenommen, wir gehen konsequent gegen das Parken in zweiter Reihe vor; wir bitten Mülldetektive um Hilfe und verhängen Geldbußen gegen Müllsünder – denn es geht einfach nicht an, dass sich fast alle an Regeln halten, aber darüber ärgern müssen, dass Einzelne ihren Müll auf unseren Straßen entsorgen!
Wir engagieren uns, wir machen dieses Engagement aber auch bekannt. Sie haben sicher die Plakate gesehen. Wir tun das, weil es uns nicht darum geht, möglichst viele Vergehen zu ahnden und Ordnungsgelder zu kassieren. Vielmehr geht es darum, das Bewusstsein dafür zu verstärken, dass wir gemeinsam um unsere Stadt verantwortlich sind! Es geht um die Tatsache und um die Botschaft, dass es wichtig ist, dass die öffentlichen Räume in dieser Stadt gepflegt und sauber sind, aus einem einfachen Grund: „…weil es UNSERE STADT ist!“
Weil es die Stadt ist, in der wir alle leben, für die wir alle Verantwortung tragen – wir hier in diesem Saal, aber auch alle Bürgerinnen und Bürger. Weil es unsere gemeinsame Stadt ist. Weil ordentliche öffentliche Räume unverzichtbar für ein gutes Zusammenleben sind!
Die Botschaft ist klar: Wer in dieser Stadt lebt, der muss sich an Regeln halten – auf unseren Straßen, in den Nachbarschaften, im Umgang miteinander. Und das übrigens nicht nur draußen, sondern auch hier drin, im Ratssaal. Auch in diesem Saal ist Respekt unerlässlich. Genau das hat das Verwaltungsgericht erfreulicherweise noch einmal sehr schön klargestellt, wie ich es zum Eingang dieser Sitzung ausgeführt habe!
Meine Damen und Herren,
wir wollen Probleme ansprechen, darum will ich auch auf das – nach der Arbeitslosigkeit – zweite Kernproblem in Gelsenkirchen zu sprechen kommen. Leider wird der Leerstand mit seinen Effekten von vielen nicht verstanden. Auch nicht von der Landesbauministerin.
Die Bauministerin hat – weil es ja pro forma genug Wohnungen in Gelsenkirchen gibt – den Förderbedarf für den Wohnungsbau in Gelsenkirchen herabgestuft, von der Mietstufe III auf die Mietstufe II. Dabei müsste sie doch als allererste begreifen, dass wir sozialen Wohnungsbau in Gelsenkirchen brauchen. Wir brauchen ihn, nicht weil viele Gelsenkirchener ohne Wohnung sind, sondern weil sie die passende Wohnung noch suchen – weil viele älter werdende Frauen und Männer eine barrierefreie Wohnung früher oder später brauchen! Darum werden wir uns mit der ggw auch unter erschwerten Bedingungen dafür einsetzen. Und darum werden wir auch das Angebot in den bisherigen Seniorenheimen – die jetzt Seniorenhäuser heißen – verbessern und Einzelzimmer für alle schaffen.
Das fällt vielleicht nicht so auf, das gibt keine Schlagzeilen, kein Rauschen in den digitalen Medien – aber wir tun das trotzdem. Wir tun das, weil es eben unsere Stadt ist. Weil das mit dazu gehört: Die Bereitschaft, sich der Fachfragen anzunehmen und Verantwortung zu übernehmen – und damit einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität unserer Stadt zu leisten! Einen Beitrag dafür, dass eben auch älter werdende Menschen, dass auch unsere Eltern und Großeltern in dieser Stadt gut leben können!
Weil es unsere Stadt ist: Bildung
Abschließend möchte ich nun ein drittes und letztes Mal auf meine Anfangsbemerkung zurückkommen. Ich habe gesagt: Wir agieren mit dem Mut, bestehende – und sogar erfolgreiche – Strukturen zu überdenken, wenn wir den Eindruck haben, dass wir Dinge noch etwas besser machen können.
Und Erfolge haben wir ganz klar im Bereich der Bildung erzielt. Bildung, das habe ich oft genug betont, ist eines, wenn nicht das Schlüsselthema für Gelsenkirchen. Ohne erhebliche Bildungsanstrengungen werden wir keine gute Zukunft für unsere Stadt bauen.
Darum waren wir mit dem Ausbau der frühen Bildungsangebote früher dran als andere. Und darum nehmen wir auch jetzt mit viel Engagement die Herausforderungen an, die dazu gekommen sind: Die steigenden Schülerzahlen aufgrund von Flucht und Migration, aber auch aufgrund von höheren Geburtenzahlen, die uns derzeit an die Kapazitätsgrenzen unserer Schulen bringen – übrigens auch deshalb, weil wir über Jahre angewiesen wurden, Schulen zurückzubauen, weil ja angeblich immer weniger Kinder geboren werden. So kann man sich täuschen.
Die Anforderungen von Inklusion und Integration, die bestmögliche Gestaltung des Übergangs von den IFö-Klassen in die Regelklassen, die Gestaltung und Begleitung der Übergänge aller Kinder in die Schule und aller Jugendlicher aus der Schule; unser Anspruch, Talente zu fördern – all das sind wichtige Themen und teilweise echte Herausforderungen.
Daran wird deutlich: Die Anforderungen an die kommunale Bildungspolitik haben sich – nein, nicht verschoben, aber doch ausgedehnt, sie erfassen den vorschulischen Bereich wie auch die sich anschließenden Lernphasen. Das betrifft die Schulen genauso wie den außerschulischen Bereich. Dort gibt es noch das meiste Potenzial, weitere Verbesserungen zu erzielen. Und das wollen wir nutzen.
Wir wollen diese Arbeit so gut wie möglich koordinieren und steuern. Darum habe ich Frau Berg gebeten, zu überprüfen, ob wir diese Arbeit noch besser und konzentrierter organisieren können. Wir sehen die Chance dazu und wollen sie ergreifen, in dem wir mit dem 1. Januar 2019, mit dem Beginn des nächsten Haushaltsjahres, ein neues Referat gründen, in dem all unsere wichtigen bildungspolitischen Aktivitäten zusammengeführt werden und zusammenwirken können – ein Referat für schulische und außerschulische Bildung.
Weil es unsere Stadt ist: Beteiligung und Transparenz
Meine Damen und Herren,
wenn wir über Bildung sprechen, dann sprechen wir über eine wichtige Verwaltungsaufgabe. Dann sprechen wir aber auch über ein elementares Anliegen. Über das Anliegen, Menschen gut ins Leben zu begleiten – und sie zu stärken.
Und Menschen stärken – das ist ein Anspruch, der sich wie ein roter Faden durch unser Handeln und den Haushaltsentwurf 2019 zieht. Nicht allein bei der Bildung, sondern auch bei der Stadterneuerung, beim Sport, im gesamten Bereich Soziales – und an vielen anderen Stellen. Stets geht es darum, jene Menschen und Kräfte zu stärken, die unser Gemeinwesen tragen.
Wie das gelingt und gelingen kann, konnte man bei den Bezirksforen wunderbar beobachten. In allen fünf Stadtbezirken hatten wir ein ähnliches Bild: Engagierte Bürgerinnen und Bürger haben sich mit eingebracht, haben sich über den städtischen Haushalt informiert und die Anliegen ihres Vereines, ihrer Nachbarschaft, ihrer Bürgerinitiative vorgetragen. Und dann haben sie offen und mit einer bemerkenswerten Fairness miteinander diskutiert, wie die zur Verfügung stehenden Gelder in ihrem Stadtbezirk möglich gerecht verteilt werden können. Und so sind wir in jedem einzelnen Stadtbezirk zu einem guten Ergebnis gekommen.
Ich muss bekennen: Es war eine Freude, dabei zuzuhören – zu erleben, wie gut Demokratie in diesem eher informellen Rahmen funktioniert. Zu sehen, dass sich so viele Menschen konstruktiv einbringen. Zu verfolgen, dass sich so viele Bürgerinnen und Bürger geduldig auf Aushandlungsprozesse einlassen – weil es ihnen um die Sache geht.
Darum war es für mich keine Frage, dass wir auch im Haushalt 2019 Mittel für die Bezirksforen einstellen. Genauso, wie wir auch an anderer Stelle das Engagement der Bürgerinnen und Bürger unterstützen – etwa mit dem Quartiersfonds, der in fast allen Stadtteilen schöne und gelungene Aktionen möglich gemacht hat, das Martinsfest im Bulmker Park war, das Sommerfest in Schalke-Nord, ein Nachbarschaftsfest in Scholven oder der Kinderkarneval in Bismarck – schöne und wertvolle Begegnungen von Nachbarinnen und Nachbarn.
Wenn man sich vor Augen führt, wie wichtig solche Veranstaltungen für das Zusammenleben sind, dann denkt man schon mal: Vielleicht sollten die Macher der erwähnten Studien sich auch derartige Beteiligungsangebote einmal genauer ansehen…
All das ist möglich, weil der städtische Haushalt das unterstützt – aber noch mehr, weil es die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener auf die Beine stellen. Es ist möglich, weil sie anpacken und tätig werden, statt abzuwarten, was die anderen tun – und sich dann auf Facebook zu beklagen, dass nichts passiert. An diesen Beispielen sehen wir: Es ist unheimlich viel möglich in dieser Stadt. Wir können viel auf die Beine stellen und auf den Weg bringen, wir alle können konstruktiven Einfluss nehmen und wirklich etwas bewegen. Und diese Chancen sollten wir ergreifen – denn es ist ja unsere Stadt!
Es ist eine Stadt, die natürlich keinen einfachen Weg hinter sich hat, die mit neuen Herausforderungen zurechtkommen muss – die aber genau das auch kann. Die Erfahrungen gesammelt hat mit schwierigen Situationen, die Resilienz erworben hat, wie man heute sagt – und die darum keine schwierige Situation fürchten muss. Auch jetzt, auch in dieser Stimmungslage nicht.
Wir haben in den zurückliegenden Jahren Erfolge erzielt, und wenn wir alle – Sie und ich – heute unsere Verantwortung wahrnehmen; wenn wir das tun, was wir können, wofür wir gewählt wurden, was die Menschen von uns erwarten – dann wird diese Stadt auch weitere Erfolge verbuchen können; dann werden wir sie auch im Jahr 2019 ein gutes Stück nach vorne bringen!
Ich lade Sie ein, diesen Weg mitzugehen – weil es eben UNSERE STADT ist!