06. Februar 2019, 16:55 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Kolumne von Oberbürgermeister Frank Baranowski
Liebe Gelsenkirchenerinnen,
liebe Gelsenkirchener!
Die Zeit der Steinkohle-Förderung im Ruhrgebiet ist gerade zu Ende gegangen, außerdem nehmen die Pläne zum künftigen Ausstieg aus der Kohleverstromung langsam Konturen an. Da ist, mal wieder, viel Wandel im Gange. Deshalb werbe ich jetzt, vielleicht haben Sie es mitbekommen, für einen neuen strukturpolitischen Impuls für unsere Region. Mein Vorschlag liegt auf dem Tisch: Das nördliche Ruhrgebiet braucht mehr Investitionen in Forschung und Bildung – wir brauchen eine Universität an der Emscher!
Völlig neu ist diese Idee nicht, das gebe ich gerne zu. Schon in den 1970er-Jahren gab es erste Pläne für eine Universität in Gelsenkirchen. Auf alten Plänen wurde sogar eine Fläche für sie ausgewiesen, im Sutumer Feld. Daraus ist bekanntlich nichts geworden. Den Zuschlag für eine der letzten Uni-Neugründungen in Nordrhein-Westfalen bekam dann Wuppertal, nicht Gelsenkirchen.
Mit dieser Entscheidung wurde bedauerlicherweise eine echte Schieflage im Ruhrgebiet festgeschrieben, und das sogar auf Jahrzehnte. Lediglich im südlichen Ruhrgebiet, wo die Zechen früher geschlossen wurden, gibt es Universitäten. Wo der Strukturwandel sich erst später durchgesetzt hat, gibt es bis heute keine. Und das ist mit ein Grund dafür, warum wir noch heute vom Ruhrgebiet der zwei Geschwindigkeiten sprechen müssen.
Inzwischen haben sich viele von uns daran gewöhnt. Ich finde aber: Akzeptieren dürfen wir das nicht! Dieser strukturelle Nachteil sollte nicht auf Dauer Bestand haben. Irgendwann muss man auch dieses Thema einmal anpacken. Irgendwann muss es einen entschlossenen Schritt geben, um den Nachteil des nördlichen Ruhrgebietes auszugleichen!
Viel spricht dafür, jetzt einen solchen Schritt zu wagen. Die Ergebnisse der Kohlekommission liegen vor und sind für viele Regionen – insbesondere für die Braunkohlereviere – ein berechtigter Anlass, um neue strukturpolitische Unterstützung einzufordern. In dieser Situation muss allerdings auch an den besonderen Bedarf des nördlichen Ruhrgebietes gedacht werden.
Hinzu kommt, dass auch die Landesregierung mit der so genannten Ruhrkonferenz einen Neuaufschlag für das Ruhrgebiet angekündigt hat. Bisher wird noch nicht so richtig greifbar, woraus dieser bestehen soll. Darum sage ich: Wenn noch Ideen gefragt sind und es ein großer Wurf sein soll, dann darf das Land sehr gerne an eine Universitätsgründung an der Emscher denken!
Es wäre ein kraftvolles Statement, wenn das Land in den nächsten Jahren der Ruhr-Uni eine Emscher-Uni zur Seite stellt. Klar ist aber auch: Das wird kein Selbstläufer. Schon aus demografischen Gründen spricht derzeit nicht sehr viel für die Neugründung einer Universität. Auch den Faktor Kosten will ich nicht kleinreden.
Auf der anderen Seite sollten wir uns nicht von vorhinein entmutigen lassen. Denn richtig ist auch: Demografische Entwicklungen können wieder eine andere Richtung einschlagen – die Geburtenzahlen steigen ja wieder. Zudem darf die Studierendenquote im nördlichen Ruhrgebiet durchaus noch höher werden. Auch was Investitionen in Forschung anbelangt, hat unsere Region noch Luft nach oben. Und nicht zuletzt: Viele Universitätsstädte sind deutlich kleiner als Gelsenkirchen. Greifswald etwa hat nicht einmal 62.000 Einwohner, aber zusätzlich zur Uni mehrere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.
Dabei wissen wir: Viele Veränderungen in unserer Stadt haben ihre Zeit gebraucht. Keines unserer Stadterneuerungsprojekte hat von heute auf morgen Erfolg gehabt. Es hat viele Jahre gedauert, um mit der Forderung nach einem Sozialen Arbeitsmarkt endlich durchzudringen. Darum habe ich keine Angst vor einer starken Forderung.
Große Veränderungen brauchen eben beides: Mut und Geduld. Wir in Gelsenkirchen bringen beides auf. Und wir sind für alle Gespräche und Kooperationen offen. In bin gespannt, was wir in Bewegung setzen!
Ihr
Frank Baranowski