13. März 2020, 11:46 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Liebe Gelsenkirchenerinnen,
liebe Gelsenkirchener!
Es ist eine ganz und gar merkwürdige Situation. Eine Situation, in der uns das Bauchgefühl wenig, die Erfahrung fast gar nicht hilft. Ständig müssen wir uns neu fragen: Gehe ich da hin, ist das gefährlich – oder nicht? Auch für uns Verantwortlichen von der Stadtverwaltung ist es eine seltsame Lage. All die Jahre arbeiten wir dafür, Menschen zusammenzubringen – und müssen nun das Gegenteil tun, nämlich Veranstaltungen absagen. Eine nach der anderen.
Ja, es ist komisch. Wir sprechen so viel über Corona (gibt es derzeit noch ein anderes Thema?), dass schon jedes kleine Kratzen im Hals verdächtig wird. Wir müssen unser normales Verhalten hinterfragen und fangen an, uns in alltäglichen Momenten mit einem neuen Blick zu sehen.
Und so richtig es ist, Dinge anders zu halten als sonst, etwas mehr Abstand von anderen Menschen zu halten als sonst, so hat auch das zwei Seiten. Jetzt keine Hände beispielsweise mehr zu schütteln, mag eine berechtigte Vorsichtsmaßnahme sein. Zugleich stimmt aber auch: Diese kleinen Gesten des bewussten Miteinanders haben ihren Wert – auch und gerade in diesen Zeiten.
Keiner von uns weiß, wie lange sich der aktuelle Zustand hinziehen wird, wie dramatisch die Situation noch wird, ob einzelne Vorsichtsmaßnahmen die richtigen sind oder nicht. Es mag Experten für Virologie geben, aber Sicherheit über die gesamte Entwicklung kann uns niemand geben.
In dieser Situation, in der wenig wirklich klar ist, sind doch zwei Dinge für mich unstrittig und darum maßgeblich:
- Erstens ist für mich klar, dass die Stadtverwaltung mit ihrem Gesundheitsamt in enger Kooperation mit allen Partnern alles dafür tun wird, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern in Gelsenkirchen die bestmöglichste Gesundheitsversorgung bereitstellen.
- Zweitens werden auch wir uns in Gelsenkirchen im Zweifel für Vorsicht und Sicherheit entscheiden. Im Zweifel müssen wir uns alle selbst schützen, denn es ist einfach so: Wenn wir uns selbst schützen, tragen wir auch dazu bei, die Menschen zu schützen, die von einem Sich-Ausbreiten des Virus besonders bedroht sind, ältere Frauen und Männer und Menschen mit Vorerkrankungen. Und das kann Leben retten.
Aus diesem Grund haben wir uns bei der Stadtverwaltung dafür entschieden, vorerst alle öffentlichen Veranstaltungen in Gelsenkirchen abzusagen, die zu diesem Zeitpunkt nicht zwingend nötig sind. Und dabei sind wir bei der Auslegung des Wortes „nötig“ lieber etwas strenger. Denn das oberste Ziel muss einfach sein, die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern, so effektiv wie möglich.
Das alles fühlt sich, ich habe es bereits erwähnt, recht eigentümlich an. Auch für mich. Denn es ist ganz sicher nicht so, dass ich gerne Veranstaltungen absagen möchte. Veranstaltungen, die grundsätzlich wichtig sind für unser Zusammenleben, und an denen auch ich sehr gerne teilnehme.
Dass wir nun stadtweit Sportveranstaltungen haben ohne Publikum, nicht nur in der Fußball-Bundesliga –daran mag ich mich nicht gewöhnen Wir haben ein Musiktheater, das Menschen unterhalten, begeisterten, verzaubern soll – und nicht eines, das seine Türen geschlossen halten soll. Die Demokratische Initiative hat einen vielfältigen Gelsenkirchener Beitrag zur „Internationalen Woche gegen Rassismus“ geplant, eine Woche mit vielen wichtigen Veranstaltungen zu einem sehr relevanten Thema, die nun nicht stattfinden können. Auch unsere Auftaktveranstaltung zur Erstellung eines neuen Klimaschutzprogramms muss erst einmal warten. Und besonders schwer fällt es, jene kleineren Veranstaltungen abzusagen, die nur durch ehrenamtliches Engagement denkbar sind.
Viele kleine und große Themen stehen in diesen Tagen hinten an, selbst ein so überragend wichtiges wie der Klimawandel. Ein Thema aber muss, kann und wird nicht zurückgestellt werden –und das ist unser Miteinander.
Diese besondere Situation betrifft uns alle, aus ihr kann sich niemand heraushalten. Keiner kann sagen: Das ist Euer Problem, nicht meines.
Das Erfreuliche an der außergewöhnlichen Lage ist: Bisher habe ich auch nicht den Eindruck, dass irgendjemand das macht. So darf es bleiben.
Es heißt ja, dass es viel über eine Gesellschaft aussagt, wie sie sich in krisenhaften Momenten verhält. Ich finde, derzeit verhalten sich die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener weitgehend so, wie ich es erwartet habe: besonnen, unaufgeregt, solidarisch. Diese Haltung sollten wir uns beibehalten, auch wenn wir uns in den nächsten Wochen einander etwas seltener sehen – und wenn zugleich die Infektionsraten steigen sollten.
Für Ihr Verständnis und Ihren Beitrag will ich Ihnen an dieser Stelle schon jetzt meinen herzlichen Dank aussprechen!
Ihr
Frank Baranowski