28. April 2020, 16:56 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Diese Meldung ist vom 28. April 2020, 16:56 Uhr. Gegebenenfalls sind einzelne Inhalte oder der gesamte Artikel nicht mehr aktuell. Für aktuelle Meldungen der Stadt Gelsenkirchen klicken Sie bitte auf https://www.gelsenkirchen.de/aktuelles
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
liebe Kolleginnen und Kollegen;
in diesen Tagen ist alles anders. Das wird uns an solchen Terminen wie dem 1. Mai wieder sehr bewusst. So kann ich mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal einen 1. Mai ohne Kundgebung verbracht habe.
Aber: Auch wenn wir in diesem Jahr nicht zusammenkommen können, sollten wir gerade diesen Tag in diesen Zeiten nutzen, um uns gemeinsam die Frage zu stellen, was in unserer Gesellschaft wirklich wichtig ist, worauf es wirklich ankommt. Und vielleicht auch: Was davon man später in eine Zukunft jenseits von Corona hinüberretten kann. Wobei die Corona-Pandemie ja noch längst nicht überwunden ist, auch wenn wir erste, kleine Schritte der Lockerung gehen.
Manche ganz Forsche sprechen sogar schon von einem Weg in die Normalität.
Doch was heißt das eigentlich: „Normalität“? Heißt das, dass in ein paar Wochen oder Monaten wieder alles so ist wie zuvor? Wenn es so käme, dann hätten wir nichts gelernt.
Es vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem nicht die Leistungen des Krankenpflegers, der Kassiererin im Supermarkt, des Paketboten oder der Erzieherin gelobt werden. Systemrelevant seien sie. Systemrelevant - ein Wort, das bislang vornehmlich mit Banken in Verbindung gebracht wurde, deren Existenz und Funktionsfähigkeit mit Milliarden aufrechterhalten wurde.
Erinnern wir uns auch noch in ein paar Monaten daran? Und wird es dann eine Bereitschaft geben, sich diese Systemrelevanz auch etwas kosten zu lassen, durch höhere Löhne oder auch durch bessere Arbeitsbedingungen? Ich fürchte, ohne den Druck der Gewerkschaften, ohne den gesellschaftlichen Druck, wird vieles allzu schnell in Vergessenheit geraten, wenn alles wieder „normal“ ist.
Und wenn ich schon bei Systemrelevanz bin. Bei der Finanzmarktkrise, bei der Flüchtlingskrise, bei der Coronakrise: Städte haben ihre Systemrelevanz bewiesen.
Ich wünsche mir, dass auch Bund und Länder endlich begreifen, dass die Kommunen auch die nötige Finanzkraft haben, um all ihren Aufgaben gerecht zu werden.
Mich beeindruckt, wie Menschen anderen Menschen in diesen Zeiten helfen. Seien es gespendete Masken oder die Einkaufshilfe für den Nachbarn. Die Stadtgesellschaft ist solidarisch zusammengerückt. Dieser Sinn für einander – auch der ist in einer Stadtgesellschaft systemrelevant!
Ich möchte aber auch die nicht unerwähnt lassen, die diese schweren Zeiten ganz anders genutzt haben. Für sie war es die Gunst der Stunde, um ohne großen Widerstand Menschen in die Arbeitslosigkeit zu stürzen und Traditionsmarken wie Küppersbusch und Seppelfricke, deren Namen seit Jahrzehnten mit Gelsenkirchen verbunden werden, mal eben abzuwickeln. Das sind die Schattenseiten der Globalisierung. Unternehmen, die keine Verantwortung für den jeweiligen Standort übernehmen, weil ihnen die Profitmarge über alles geht. Wie verletzlich die globalisierte Wirtschaft, das globalisierte Leben ist, das sollte uns die Ausbreitung des Corona-Virus deutlich vor Augen geführt haben. Und genauso, wie wichtig ein starker öffentlicher Sektor, ein handlungsfähiger Staat, eine handlungsfähige Kommune zur Bewältigung von existenziellen Krisen ist! Auch daran sollten wir uns später unbedingt erinnern, wenn sich einige wieder mit Forderungen nach Steuersenkungen, Privatisierungen und Kürzungsorgien überbieten werden.
Die Gewerkschaften hatten und haben ihren großen Anteil daran, dass unsere Marktwirtschaft eine soziale ist, dass wir in einer noch immer stabilen Demokratie leben, dass unser Gemeinwesen stärker ist und unser Staat handlungsfähiger ist, als in anderen Ländern. All das ist nicht vom Himmel gefallen, es musste erkämpft und immer wieder verteidigt werden. Und es ist brüchig. Solidarität – dieses Wort markiert den Kern gewerkschaftlicher Arbeit. Solidarität heißt in diesen Tagen auch: Abstand halten. Solidarität heißt, Verantwortung zu übernehmen, heißt zusammenstehen. Denn so das Motto des diesjährigen 1.Mai: Solidarisch ist man nicht alleine! Sich das immer wieder zu verdeutlichen und zum Maßstab des Handelns zu machen, das ist für mich der Grundstein, um die richtigen Lehren aus der Corona-Krise zu ziehen.
In diesem Sinne wünsche ich allen einen so schönen 1. Mai wie es in diesen Tagen nur möglich ist, verbunden mit einem herzlichen
Glück auf!