26. März 2012, 12:00 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Im Handelsregister stehen Scheuten Solar und Schlecker kurz hintereinander, doch viel mehr Gemeinsamkeiten hatten die international tätige Solarfirma und die Drogerie-Kette nicht. Lange Zeit schien das jedenfalls so. Jetzt aber meldeten beide Insolvenz an, die Beschäftigten sorgen sich um ihre Arbeitsplätze - und ich mit ihnen.
Denn auch wenn wir uns daran gewöhnt haben, mit Arbeitslosenstatistiken zu hantieren, mit Zahlen und Quoten und Veränderungsraten: Hinter Arbeitsplatzverlusten stehen immer und in erster Linie menschliche Schicksale. Die Insolvenz von Scheuten Solar und Schlecker stellt jede Beschäftigte und jeden Beschäftigten vor quälende Fragen: ob es mit der Firma weitergeht, wie lange es den eigenen Arbeitsplatz noch gibt. Wie zügig sich eine neue Stelle auftut, die in etwa den Vorstellungen entspricht. Diese Sorgen treffen den spezialisierten Ingenieur genauso wie die Verkäuferin. Sie bereiten schlaflose Nächte, sie belasten die Familien und Freunde.
Unsere städtischen Handlungsmöglichkeiten sind in dieser Situation leider sehr begrenzt. Wo wir helfen können, tun wir das. Wir arbeiten mit der Arbeitsagentur zusammen, mit den Gewerkschaften. Wir unterstützen den Insolvenzverwalter und halten Kontakt zur Landesregierung. Dabei können wir keine Wunder vollbringen. Doch wir vergessen auch nicht, dass ein Insolvenzantrag bislang lediglich eine akute Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Er muss nicht zwangsläufig das Ende des Betriebes bedeuten. So lange Jobs gerettet werden können, so lange müssen wir das gemeinsam versuchen. Schließlich rücken wir Gelsenkirchener in schwierigen Momenten erst recht zusammen!
Schwierig war die Situation der Beschäftigten bei Schlecker schon lange - gerade auch, was die Arbeitsbedingungen und die Vergütung der Mitarbeiterinnen angeht. Dass nun die Betriebsräte, die bei der bisherigen Konzernleitung nicht eben gern gesehen waren, inzwischen die wichtigste Stütze der Firma sind - das entbehrt schon nicht einer gewissen Ironie.
Wertvolles Wissen und schwierige Märkte
Der Fall von Scheuten Solar liegt anders. Die Firma war und ist Bestandteil der Stadt der Zukunftsenergien, ein Unternehmen mit viel Ingenieurswissen und Fertigungs-Know-How. Ihre Probleme haben ein gutes Stück mit den Rahmenbedingungen zu tun. Zum einen hat die Bundesregierung angekündigt, den Zugang der Solarenergie zum Stromnetz zu erschweren - und das, obwohl wir in Deutschland nach dem Atomausstieg eine Energiewende bewerkstelligen müssen und diese Wende aus Gründen des Klimaschutzes auch mit erneuerbaren Energien schaffen sollten. Zum anderen ist der Preisdruck auf den internationalen Märkten enorm. Viele asiatische Solar-Unternehmen, gerade die Modulhersteller, werden stark subventioniert. Dagegen lässt sich nur sehr schwer konkurrieren. Dass das Unternehmen trotz aller Schwierigkeiten wieder mit der Produktion begonnen hat, macht aber Mut.
Mehr Jobs, Schritt für Schritt
Seit etlichen Jahren arbeiten wir in Gelsenkirchen daran, einen immer noch zu hohen Sockel an Arbeitslosigkeit abzutragen. Wir tun alles dafür, dass hier gute Arbeitsplätze entstehen können - und das passiert ja auch, selbst wenn es in der Medienöffentlichkeit weniger auffällt. Weniger jedenfalls als die beiden Insolvenzen, die uns auf diesem Weg etwas zurückwerfen. Doch die Richtung stimmt: Die Zahl der Gelsenkirchener sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in den vergangenen fünf Jahren um sechs Prozentpunkte gestiegen. Sie steigt aber langsam, nicht in Zehner- oder Hunderterschritten. Sondern Stelle um Stelle, die neu besetzt wird. Daran werden wir weiter gemeinsam arbeiten.
Glück auf!
Ihr
Frank Baranowski