19. Juli 2011, 09:00 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Es gibt ab und an Momente, da trifft Stadtgeschehen auf Weltgeschehen. In diesen Tagen war das der Fall, als aus Argentinien die Nachricht von der Verurteilung von sieben an Folter und Ermordung beteiligten Soldaten der früheren Militärdiktatur kam. Unter ihren Opfern war damals auch die gebürtige Gelsenkirchenerin Elisabeth Käsemann.
34 Jahre nach ihrer Ermordung am 24. Mai 1977 widerfährt Elisabeth Käsemann damit nun endlich Gerechtigkeit - späte Gerechtigkeit. Zwei Offiziere und fünf Wärter des Folterlagers „El Vesubio" in Buenos Aires - eines von über 600 Geheimlagern der von 1976 bis 1983 herrschenden Militärjunta, der rund 30.000 Menschen zum Opfer gefallen waren, - sind wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit verurteilt worden.
Damit ist für Argentinien ein weiterer Schritt der Aufarbeitung der Militärdiktatur getan. Für die vielen Angehörigen und Freunde der Opfer ist es eine späte Genugtuung, dass Verbrechen nicht ungesühnt bleiben. Für die Opfer schließlich ist das Urteil eine Rehabilitierung. International gesehen ist es schlicht ein Signal für die Achtung der Menschenrechte.
Von Ernst Käsemann, dem Vater und bekannten Theologieprofessor, der von 1933 bis 1946 Pfarrer in Rotthausen war und als Mitglied der Bekennenden Kirche zeitweise von der Gestapo inhaftiert wurde, stammt der resignierte Satz: „Ein verkaufter Mercedes wiegt mehr als ein Leben." Und in der Tat nahm man es auch in der Außenpolitik lange Zeit mit den Verschwundenen der Militärjunta nicht so genau - im Interesse der wirtschaftlichen Beziehungen. Auch bei deutschen Firmen, die in Argentinien produzieren ließen, verschwanden kritische Gewerkschafter.
So wurde zumindest in Deutschland Elisabeth Käsemann, die lange Jahre als Studentin in den Armenvierteln Argentiniens arbeitete, zum bekanntesten Gesicht und Synonym aller Ermordeten, Gefolterten, Verschwundenen der Militärregierung. Und zum Symbol für die Nichteinmischung der Bundesrepublik Deutschlands. Erst der massive Druck von Angehörigen, Bürgerinnen und Bürgern, Initiativen und Kirchen hat schließlich dafür gesorgt, dass der Fall Elisabeth Käsemann nicht in Vergessenheit geriet.
Auch in Gelsenkirchen wird Erinnerung wach gehalten
Auch in Gelsenkirchen. Hier zeugt etwa die Benennung der evangelischen Elisabeth-Käsemann-Familienbildungsstätte davon, dass die Erinnerung an die Tochter der Stadt wach gehalten wurde. Wenn im aktuellen Verfahren die Bundesrepublik Deutschland als Nebenklägerin auftrat, dann ist das auch ein Stückchen Wiedergutmachung und Aufarbeitung der eigenen nicht ganz rühmlichen Geschichte.
Im Falle Elisabeth Käsemanns zeigt sich, dass Beharrlichkeit, Engagement und unermüdliches Eintreten für die Benennung von Unrecht und Gewalt sich am Ende auszahlen. Bitter, dass es dafür 34 Jahre brauchte.
Ihr
Frank Baranowski