24. September 2009, 15:49 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Es gibt Städte, deren Rhythmus fast ausschließlich bestimmt wird durch eine Hochschule. In den Semesterferien sind sie fast menschenleer, jetzt zum Semesterstart proppevoll. In Gelsenkirchen ist das nicht so.
Klar: Die Städte des Ruhrgebiets sind keine klassischen Hochschulstädte, in denen man über kopfsteingepflasterte Gässchen mit dem Fahrrad zur Uni juckelt. Dafür sind sie deutlich zu eigenwillig strukturiert und auch schlichtweg zu groß. Eine Hochschule wird hier städtisches Leben nie so dominieren können, wie in deutlich kleineren Städten wie Marburg, Göttingen oder Heidelberg. Aber, mal ehrlich: Etwas mehr darf es schon sein. Dass Gelsenkirchen Sitz zweier Hochschulen ist, schlägt sich meiner Meinung nach noch viel zu wenig nieder im Stadtbild und auch in unserem Selbstverständnis. Stadt und Hochschulen müssen sich immer noch gegenseitig entdecken.
Jetzt ist es mittlerweile schon 17 Jahre her, dass aus der alten Ingenieurschule im Süden von Buer eine eigenständige Fachhochschule geworden ist, die heute über 7000 Studierende zählt und Dependancen in Recklinghausen, Bocholt und Ahaus unterhält. Damit gehört die FH Gelsenkirchen zu den großen und profiliertesten Fachhochschulen des Landes. Allein 4000 Studenten gibt es am Stammsitz Gelsenkirchen. Die müssen wir stärker an unsere Stadt binden. Denn sie sind die hoch qualifizierten Fachkräfte von morgen, die unverzichtbar sind für die Wirtschaft einer jeden Stadt, aber auch für das kulturelle Leben.
Anders herum muss die Fachhochschule auch noch stärker im Bewusstsein der hier lebenden Menschen verankert werden. Viele Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener wissen ja gar nicht, welche Spitzenleistungen an der FH vollbracht werden. Da ist es noch ein weiter Weg, bis wir uns hier selbstverständlich auch als Wissensstadt, als Forschungsstadt begreifen.
Kaiser Wilhelm wirkt immer noch nach
Erst dann aber werden wir die bis heute nachwirkende unselige Entscheidung von Kaiser Wilhelm II. überwunden haben, der vor mehr als 100 Jahren verfügte, dass es im Ruhrgebiet keine Kasernen und keine Universitäten geben dürfe und damit die Bevölkerungsstruktur des Ruhrgebiets noch auf Jahrzehnte bestimmte. Damals sollte die soziale Realität nicht auf den Geist treffen, damit die Arbeiter nicht auf neue, womöglich gefährliche Gedanken kommen. Malocher sollten malochen. Mehr nicht. Heute sind es gerade die neuen, die ketzerischen Gedanken, die uns nach vorne bringen. Und das Ruhrgebiet, Gelsenkirchen, ist nach wie vor der ideale Nährboden dafür. Hier gärt es, hier geschehen immer noch Revolutionen - wenn auch meist technologischer Art. Wer also Innovation zu seinem Beruf machen will, wer gestalten, wer anpacken will, Brüche nicht scheut, der muss heute zum Studium zu uns kommen. Dass das in nicht allzu ferner Zukunft auch in den Köpfen zu einer Selbstverständlichkeit wird, daran werden wir weiter arbeiten.
Es grüßt Sie herzlich aus dem Rathaus
Ihr
Frank Baranowski