Konzert, 05. September 2021, 17:00 Uhr, Kulturraum „die flora“
Zum Jahr 2021, das bundesweit „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ thematisiert, will der Kammermusikzyklus „Wie sich die Zeit verzweigt“ (Paul Celan) einen Beitrag mit sieben verschiedenen Programmen leisten, die deutsch-jüdisches Komponieren und Dichten in bekannten, aber auch vielen neuen und neu zusammengestellten Aspekten beleuchten. Mit Ausgang im 19. Jahrhundert – Felix Mendelssohn Bartholdy, Ferdinand Hiller und Gustav Mahler – wirft der Zyklus historische Schlaglichter auf die kulturellen Epochen vor dem Ersten Weltkrieg, zwischen den Kriegen und nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die heutige Zeit. Jüdische Dichterinnen und Dichter wie Nelly Sachs, Paul Celan, Yvan Goll oder Stefan Zweig sind in Sprachtext oder Vertonung ebenso vertreten wie Komponistinnen und Komponisten von Arnold Schönberg über Hanns Eisler, Kurt Weill, Stefan Wolpe, Berthold Goldschmidt bis zu Ursula Mamlok, Zvi Avni, Sidney Corbett oder Gilead Mishory. Die in Gelsenkirchen geborenen und später nach Israel ausgewanderten Komponisten Ben-Zion Orgad und Zvi-Herbert Nagan spielen dabei eine besondere regionale Rolle. Auch zeitgenössische nicht-jüdische Komponisten wie Michael Denhoff, Wolfgang Rihm, Stefan Heucke oder Michael Em Walter tragen mit Vertonungen jüdischer Autorinnen und Autoren zum Gesamtbild bei. Shoah, Emigration und Exil zählen zu den Hauptthemen des Zyklus, allerdings auch Rückkehr nach Deutschland (Ursula Mamlok, Samuel Adler, Berthold Goldschmidt und andere) und das vielfältige Bemühen deutscher und jüdischer Künstlerinnen und Künstler, neue Brücken zu schlagen – „Brücken bauen mit Musik“, wie es der hochbetagt in den USA lebende Komponist Samuel Adler im Titel seiner Autobiographie sagt.
Die musikalisch-literarische Konzertreihe mit sieben Konzerten an acht Orten in Gelsenkirchen, Recklinghausen und Bochum im Herbst 2021 ist ein Gemeinschaftsprojekt des Kulturraum „die flora“ der Stadt Gelsenkirchen in Kooperation mit der Stadt Recklinghausen/Fachbereich Kultur, der Jüdischen Gemeinde Bochum, der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Recklinghausen und dem Freundeskreis Synagoge Bochum Herne Hattingen. Die Konzertreihe wird unterstützt durch die LWL-Kulturstiftung.
Das Eröffnungskonzert am Europäischen Tag der Jüdischen Kultur schlägt einen weiten Bogen von Felix Mendelssohn Bartholdy über Gustav Mahler bis hin zu Arnold Schönberg und Hanns Eisler, dessen Stück „14 Arten den Regen zu beschreiben“ auch titelgebend für das erste Konzert wirkt. Zur Eröffnung spricht die Oberbürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen, Karin Welge, ein Grußwort. Die Einführung in die Musik, auch durch Gespräche mit den Musikerinnen und Musikern, erfolgt durch die Künstlerischen Leiter Rainer Maria Klaas (Recklinghausen) und Michael Em Walter (Gelsenkirchen).
Den ersten Teil des Programms eröffnet der 1. Satz aus Felix Mendelssohn Bartholdys Klavierquartett h-Moll, op. 3 aus dem Jahr 1824. Dieser erste Satz des Johann Wolfgang von Goethe gewidmeten Werkes ist, obgleich das Stück eines 15jährigen, dennoch unverkennbarer Mendelssohn Bartholdy. Bereits hier zeigt sich das ungeheure Können des Heranwachsenden in der Beherrschung der technischen Mittel und der typisch Mendelssohn'schen melodischen Erfindungskraft – die Bezeichnung „Jugendwerk“ wäre dem Stück jedenfalls keineswegs angemessen.
Obgleich nicht jüdisch, ist auch Dmitri Schostakowitsch mit seinen Vier Walzern für Flöte, Klarinette und Klavier im Programm vertreten, denn seine Musik ist zweifelsfrei und nach eigenen Aussagen stark von jüdischer Musiktradition inspiriert. „Fast immer handelt es sich um ein Lachen unter Tränen. Diese Eigenart der jüdischen Musik kommt meiner Auffassung von Musik sehr nahe.“ Möglicherweise lassen sich auch in den vier Walzern Spuren dieser Musikauffassung finden.
Die Phantasie für Violine und Klavier op. 47 von Arnold Schönberg ist dem Spätwerk des Komponisten zuzuordnen, stammt aus der Zeit des kalifornischen Exils und ist entstanden im Jahr 1949. Bemerkenswert und prägend für den Charakter des Werks ist die Entstehungsgeschichte: Denn zunächst schrieb der Komponist lediglich den Violinpart auf, ehe er das Stück eine Woche später mit der Niederschrift des Klavierparts komplettierte.
Den Beginn des zweiten Konzertteils markiert ein zweites Stück Felix Mendelssohn Bartholdys. In dieser verhältnismäßig unbekannt gebliebenen Miniatur für Flöte solo mit dem Titel „The shepherd's song“ zeigt sich der Komponist als Meister der kleinen Form, denn das Stück hat eine Spieldauer von lediglich etwas mehr als zwei Minuten.
Ein Meister der Großform Symphonie, Gustav Mahler, ist im Eröffnungskonzert mit einem Frühwerk zu hören. Das Klavierquartett a-Moll ist das einzige erhaltene Kammermusikwerk aus der Feder des Komponisten und gilt unter Kammermusikfreunden entsprechend als wertvolle Rarität.
Den Abschluss des Eröffnungsabends bildet Hanns Eislers Werk „14 Arten den Regen zu beschreiben“ für Flöte, Klarinette, Streichtrio und Klavier. Diese äußerst vielschichte und abwechslungsreiche Variantenfolge gilt als Meisterwerk des Komponisten.
Aufführende:
Ensemble Severin Van Schmid: Max Streicher, Flöte; Luzi Wei, Klarinette; Severin Van Schmid, Viola, bei Schönberg Violine; Teira Yamashita, Violine; Ghislain Portier, Violoncello
Rainer Maria Klaas, Klavier
Eine Veranstaltung im Rahmen des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.
Die weiteren Termine im Kulturraum „die flora“ sind:
- So, 03.10.2021, 17:00 Uhr: „ATEMWENDE“ Nelly Sachs – Paul Celan: Ein komponierter Abend
- So, 21.11.2021, 17:00 Uhr: „PAS DE DEUX“
Einen Link zur Vorschau und zur PDF auf die Musikalisch-literarische Kammerkonzertreihe "Wie sich die Zeit verzweigt" finden Sie unten.
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Veranstalter: Kulturraum „die flora“
Eintritt: 14,00 €, ermäßigt 10,00 € (Schüler/innen, Studierende, Auszubildende, GE-Passinhaber/innen, Ehrenamtskarten-Inhaber/innen. Begleitpersonen von Schwerbehinderten haben freien Eintritt)
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