Dormagen, Nicola - Standpunkt
Skulptur,
1998
Bildrechte: Sabine Fiereck
Bildrechte: Sabine Fiereck
Zum Objekt
„Ihren“ Baum bearbeitete die Bremer Künstlerin Nikola Dormagen, indem sie die Pappel mit Motorsäge und Baumfräse quasi entkernte. Zwei mittlerweile morsche Stufen führen in den „Innenraum“, der ursprünglich mit Goldlack versehen war und laden bzw. luden dazu ein die Skulptur zu betreten. Auch von der farbigen Fassung der Außenseite des Baumes sind nur noch vage Spuren erhalten. Das erdige Schwedenrot, mit dem der Baum angestrichen war, wählte Dormagen nach eigener Aussage aufgrund seiner Natürlichkeit und um zum umgebenden Grün einen wirkungsvollen Kontrast zu setzen. Ihrem Wunsch nach sollten vorbeikommende Spaziergänger animiert werden, den Baum zu betreten, um „so die Welt quasi aus den Augen der Natur beobachten“ zu können. Steigt man hinein, findet man sich in einem übermannshohen Raum wieder und wird zum großen Teil von der Baumschale umschlossen. Es bleibt ein relativ schmaler Spalt, durch den die Umgebung zu sehen ist sowie der Blick in den Himmel. Wie ein kostbarer, schützender Mantel legt sich der ausgehöhlte Baum um die in ihm stehende Person, die darin einen Hort der Ruhe findet - eine Art Erfahrungsraum, durch den nicht nur die Außenwahrnehmung fokussiert, sondern auch die Selbstwahrnehmung im Raum verstärkt wird. Nikola Dormagen lädt den Parkgänger ein, einen veränderten Blickwinkel, einen besonderen „Standpunkt“ einzunehmen.
Zum Künstler
Nicola Dormagen studierte an der FH Ottersberg Freie Kunst mit dem Schwerpunkt Bildhauerei. Seit 1994 ist sie als freischaffende Künstlerin aktiv und konnte sich bereits bei verschiedenen nationalen wie auch internationalen Arbeitsaufenthalten beweisen. Das Material Holz begleitet sie nach eigener Aussage durch ihr ganzes künstlerisches Schaffen hindurch.
Hintergrund
Nicola Dormagen schuf die sechste Baumskulptur für das 1993 vom Kunstverein Gelsenkirchen ins Leben gerufene und sich seither sukzessive weiterentwickelnde Projekt „Kunst am Baum“. Wie bei der sogenannten „Kunst am Bau“ wird hier der museale Rahmen verlassen und der öffentliche Raum gesucht, um zufällige Begegnungen mit Kunst zu ermöglichen.
Als Standort für das Skulpturenprojekt wurde der Bereich des Schlossparks Berge, westlich der Adenauerallee und nördlich des Sees von Schloss Berge zur Verfügung gestellt. Dort vorhandene kranke, überalterte und verkehrsgefährdende Bäume, die ohnehin gefällt werden sollten, wurden zur künstlerischen Bearbeitung frei gegeben. So konnten unmittelbar vor Ort in der Auseinandersetzung mit dem lebenden, noch verwurzelten „Material“ und der Umgebung interessante Konzepte entstehen, die sich auf vielfältige Weise mit der Verbindung von Kunst, Mensch und Natur auseinandersetzen. Insbesondere die Vergänglichkeit des Materials und der Pflanzenwachstum im direkten Umfeld wirken in die Gestaltung mit ein. Die Baumskulpturen verändern sich fortwährend, werden Teil der Umgebung sowie natürlicher Verwitterungsprozesse und verweisen auf diesem Wege auf Werden und Vergehen der Dinge. Vorgesehen ist, dass alljährlich eine neue Skulptur hinzukommt: Anstelle einer mühevollen und letztlich nicht realisierbaren Konservierung sind für die „Kunst am Baum“ immer neue Ideen gefragt.