Jahn, Heinz - Verspiegelt
Skulptur,
1995
Hienz Jahn - Verspiegelt .
Bildrechte: Sabine Fiereck
Hienz Jahn - Verspiegelt .
Bildrechte: Sabine Fiereck
VERSPIEGEL ohne Spiegel .
Bildrechte: Michael Robionek
Zum Objekt
Bis auf einen niedrigen Stumpf wurde ein zur Gestaltung freigegebene Baum abgesägt. Das von Heinz Jahn gestaltete Pappelrelikt verrwitterte mit der Zeit stark, wofür nicht zuletzt die dicken aus dem Holz wachsenden Pilzschwämme sorgten. Gerade in diesem fortgeschrittenen Stadium des Verfalls wirkte die auf den Baumstumpf gelagerte Spiegelscheibe wie eine Grabplatte - eine Art Versiegelung der organischen Überreste.
Die runde Spiegelfläche aus poliertem Edelstahl war zwischenzeitlich stumpf geworden und verdreckt. Die Umgebung, Licht und Wechsel der Jahreszeiten, der ehemalige Lebensraum der aus Krankheitsgründen gefällten Pappel wurde nur noch sehr verhalten gespiegelt. Klar wie auch ermattet verfremdete der Spiegeleffekt das Vertraute, zumal es aus einer ungewohnten Perspektive betrachtet wurde.
Spiegel und Baumstumpf schienen, auch wenn die gewählten Materialien kaum unterschiedlicher hätten sein können, eine untrennbare Einheit zu bilden: Einerseits passte in formaler Hinsicht die runde Edelstahlscheibe zur runden Oberfläche des abgesägten Pappelstumpfes. Andererseits wurden mit dem Spiegel das Umfeld und die sich darin vollziehenden Veränderungen unmittelbar mit dem Baumrest in Beziehung gesetzt. Baum, Umgebung und Witterung wurden für den Betrachter in einem einzigen Objekt erfahrbar, wodurch die Abhängigkeit voneinander visualisiert wurde. Und auch, dass die auf dem morschen Baumstumpf liegende Spiegelfläche kaum noch reflektierte, erschien im Hinblick auf dieses symbiotische Verhältnis als logische Konsequenz.
VERSPIEGEL ohne Spiegel (Foto: Michael Robionek): Mittlerweile befindet sich keine Edelstahlplatte mehr auf dem Baumstumpf. Somit sind die Reste der Pappel mit den darauf befindlichen Kleberspuren nun wieder ungeschützt der Witterung und somit dem natürlichen Verfall ausgesetzt. Währenddessen hat die runde Metallplatte ihrerseits wieder als Rohstoff wohl über einen Schrotthändler den industriellen Weg zurück zum Wirtschaftskreislauf gefunden.
Zum Künstler
Heinz Jahn studierte Malerei und Bildhauerei an der Akademie Münster. Seit den achtziger Jahren ist der mittlerweile in der Dordogne (Südfrankreich) und Hamburg lebende Künstler auf zahlreichen Ausstellungen in Deutschland und in der Schweiz vertreten.
Hintergrund
Heinz Jahn schuf die zweite Baumskulptur für das 1993 vom Kunstverein Gelsenkirchen ins Leben gerufene und sich seither sukzessive weiterentwickelnde Projekt „Kunst am Baum“. Wie bei der sogenannten „Kunst am Bau“ wird hier der museale Rahmen verlassen und der öffentliche Raum gesucht, um zufällige Begegnungen mit Kunst zu ermöglichen.
Als Standort für das Skulpturenprojekt wurde der Bereich des Schlossparks Berge, westlich der Adenauerallee und nördlich des Sees von Schloss Berge zur Verfügung gestellt. Dort vorhandene kranke, überalterte und verkehrsgefährdende Bäume, die ohnehin gefällt werden sollten, wurden zur künstlerischen Bearbeitung frei gegeben. So konnten unmittelbar vor Ort in der Auseinandersetzung mit dem lebenden, noch verwurzelten „Material“ und der Umgebung interessante Konzepte entstehen, die sich auf vielfältige Weise mit der Verbindung von Kunst, Mensch und Natur auseinandersetzen. Insbesondere die Vergänglichkeit des Materials und der Pflanzenwachstum im direkten Umfeld wirken in die Gestaltung mit ein. Die Baumskulpturen verändern sich fortwährend, werden Teil der Umgebung sowie natürlicher Verwitterungsprozesse und verweisen auf diesem Wege auf Werden und Vergehen der Dinge. Vorgesehen ist, dass alljährlich eine neue Skulptur hinzukommt: Anstelle einer mühevollen und letztlich nicht realisierbaren Konservierung sind für die „Kunst am Baum“ immer neue Ideen gefragt.