Löcherbach, Roger - Zur Sonne, zur Freiheit
Skulptur,
2004
Bildrechte: Sabine Fiereck
Bildrechte: Sabine Fiereck
Zum Objekt
Wie keine andere Skulptur des Projektes „Kunst am Baum“ wurde dieser Baumstamm von dem ihn gestaltenden Künstler aufwändig figürlich ausgearbeitet. Roger Löcherbach fertigte aus dem verwurzelten Stamm eine Art plastische Bildsäule mit einer Reihe aufwärts strebender, menschlicher Gestalten. Die nackten Figuren sind grob, jedoch akzentuiert aus dem Stamm gehauen. Bis auf die korpulente, unmittelbar auf einem niedrigen Sockelbereich stehende Frauengestalt sind nahezu alle Weiteren in starker Bewegung dargestellt. Sie steigen, klettern, gehen, laufen mit großer Kraft auf einem Band, einem angedeuteten Bodenbereich, welcher durch die umlaufenden Diagonalpartien die Dynamik der Gesamtkomposition noch verstärkt. Der Titel der Baumskulptur ist dem bekannten Arbeiterlied „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ entlehnt, welches mit seinem Text [1. Strophe: „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, Brüder zum Lichte empor. Hell aus dem dunklen Vergangnen leuchtet die Zukunft hervor.“] eine Aufbruchstimmung in eine hoffnungsvolle Zukunft vermittelt. Gesungen auf SPD-Parteitagen wie auch bei Parteiversammlungen der SED, ist „Zur Sonne, zur Freiheit“ mittlerweile zu einem Slogan geworden, welcher gerne auch losgelöst von seiner arbeitsbewegten Vergangenheit verwendet wird.
Für die voller Drang und Lebendigkeit steckende Baumskulptur Löcherbachs passt der Titel ideal zur dargestellten Marschrichtung: Die Menschen streben voller Dynamik vorwärts bzw. aufwärts, sinnbildlich zu Höherem - einem erhabenen Ziel entgegen. Dieses Streben erscheint jedoch nicht politisch-ideologisch motiviert, sondern tief in der menschlichen Natur verankert zu sein.
Zum Künstler
Roger Löcherbach studierte Kunst und Latein in Mainz und Münster, bevor er sich zum Kunstlehrer ausbilden ließ. Seiner Tätigkeit als Pädagoge kam er jedoch nur wenige Jahre nach. Seit 1998 arbeitet er als freischaffender Künstler, lebt und arbeitet in Essen.
Für das skulpturale Schaffen Löcherbachs ist Holz als wichtigster Werkstoff zu nennen. Zumeist sind es figürliche Darstellungen, die er unmittelbar aus dem Stamm arbeitet, wobei sich Form und Inhalt aus der bildhauerischen Handlung selbst entwickeln, das Material und die Form des Baumstammes das Resultat bestimmen. Aus dem Holz holt er verschiedene „Typen“ Mensch sowie menschliche Zustände, charakterisiert durch die jeweilige Haltung und angedeutete Bewegung.
Hintergrund
Roger Löcherbach schuf die zwölfte Baumskulptur für das 1993 vom Kunstverein Gelsenkirchen ins Leben gerufene und sich seither sukzessive weiterentwickelnde Projekt „Kunst am Baum“. Wie bei der sogenannten „Kunst am Bau“ wird hier der museale Rahmen verlassen und der öffentliche Raum gesucht, um zufällige Begegnungen mit Kunst zu ermöglichen.
Als Standort für das Skulpturenprojekt wurde der Bereich des Schlossparks Berge, westlich der Adenauerallee und nördlich des Sees von Schloss Berge zur Verfügung gestellt. Dort vorhandene kranke, überalterte und verkehrsgefährdende Bäume, die ohnehin gefällt werden sollten, wurden zur künstlerischen Bearbeitung frei gegeben. So konnten unmittelbar vor Ort in der Auseinandersetzung mit dem lebenden, noch verwurzelten „Material“ und der Umgebung interessante Konzepte entstehen, die sich auf vielfältige Weise mit der Verbindung von Kunst, Mensch und Natur auseinandersetzen. Insbesondere die Vergänglichkeit des Materials und der Pflanzenwachstum im direkten Umfeld wirken in die Gestaltung mit ein. Die Baumskulpturen verändern sich fortwährend, werden Teil der Umgebung sowie natürlicher Verwitterungsprozesse und verweisen auf diesem Wege auf Werden und Vergehen der Dinge. Vorgesehen ist, dass alljährlich eine neue Skulptur hinzukommt: Anstelle einer mühevollen und letztlich nicht realisierbaren Konservierung sind für die „Kunst am Baum“ immer neue Ideen gefragt.