Wang Shugang - Blick
Skulptur,
2000
Bildrechte: Sabine Fiereck
Zum Objekt
Der chinesische Künstler Wang Shugang nutzt den für seine Holzskulptur im Rahmen des Projektes „Kunst am Baum“ freigegebenen Stamm als hohen Sockel, auf den er exponiert einen unbekleideten, aus Holz gearbeiteten Mann stehen lässt. Dieser befindet sich auf einer quadratischen Basis, die einerseits die Figur stabilisiert und die zugleich formal der Holzplatte entspricht, welche er über seinen Kopf hält. Der Blick der männlichen Gestalt ist nach oben gerichtet und verläuft durch das sich in der Platte befindende runde Loch, welches zudem eine Negativform zum runden Durchmesser des Baumstamms bildet. Durch diese Art der Rahmung wird der Blick des Mannes gen Himmel eingeschränkt und gleichzeitig fokussiert. Besonders hervorgehoben wird dieser Rahmen durch eine farbliche Akzentuierung im ursprünglich satten, leuchtenden Rot - einer Farbe die Wang Shugang sehr häufig bei seinen Arbeiten verwendet. Aber auch die Skulptur als solche hebt sich durch die Helligkeit des bearbeiteten Holzes, auf dem sich noch die Spuren der bildhauerischen Arbeit finden, deutlich vom dunklen, naturbelassenen Stamm mit seiner stark gefurchten Rinde ab.
Mit dem Setzen von Parallelen und Kontrasten in der künstlerischen Gestaltung nähert sich Wang Shugang dem schwierigen Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Vereinfacht ließe sich nach Betrachtung der Skulptur über dieses Verhältnis sagen, dass der Mensch - obwohl ein Teil von ihr - über der Natur steht, den Blick nach oben, in die Ferne bzw. in die Zukunft richtet und dabei alles um ihn herum und unter ihm, also auch seine eigenen Wurzeln, ausblendet.
Zum Künstler
Wang Shugang studierte an der Central Academy of Fine Art Beijing und arbeitete anschließend für kurze Zeit als Angestellter im staatlichen Ministerium für Stadtplanung und -entwicklung, bevor er 1989 nach Westdeutschland auswanderte. Dort, insbesondere im Ruhrgebiet, boten sich dem Künstler in den neunziger Jahren zahlreiche Ausstellungsmöglichkeiten. Der seit dem Jahr 2000 wieder in China lebende Wang Shugang reflektiert in seinen Arbeiten vor allem das sich derzeit durch politische und kulturelle Einflüsse im Umbruch befindende alltägliche Leben in Peking. Er gilt als renommierter Vertreter der aufstrebenden zeitgenössischen chinesischen Kunst.
Hintergrund
Wang Shugang schuf die achte Baumskulptur für das 1993 vom Kunstverein Gelsenkirchen ins Leben gerufene und sich seither sukzessive weiterentwickelnde Projekt „Kunst am Baum“. Wie bei der sogenannten „Kunst am Bau“ wird hier der museale Rahmen verlassen und der öffentliche Raum gesucht, um zufällige Begegnungen mit Kunst zu ermöglichen.
Als Standort für das Skulpturenprojekt wurde der Bereich des Schlossparks Berge, westlich der Adenauerallee und nördlich des Sees von Schloss Berge zur Verfügung gestellt. Dort vorhandene kranke, überalterte und verkehrsgefährdende Bäume, die ohnehin gefällt werden sollten, wurden zur künstlerischen Bearbeitung frei gegeben. So konnten unmittelbar vor Ort in der Auseinandersetzung mit dem lebenden, noch verwurzelten „Material“ und der Umgebung interessante Konzepte entstehen, die sich auf vielfältige Weise mit der Verbindung von Kunst, Mensch und Natur auseinandersetzen. Insbesondere die Vergänglichkeit des Materials und der Pflanzenwachstum im direkten Umfeld wirken in die Gestaltung mit ein. Die Baumskulpturen verändern sich fortwährend, werden Teil der Umgebung sowie natürlicher Verwitterungsprozesse und verweisen auf diesem Wege auf Werden und Vergehen der Dinge. Vorgesehen ist, dass alljährlich eine neue Skulptur hinzukommt: Anstelle einer mühevollen und letztlich nicht realisierbaren Konservierung sind für die „Kunst am Baum“ immer neue Ideen gefragt.