Kricke, Norbert - Röhrendickicht
Skulptur/Wandgestaltung,
1959
Norbert Kricke - Röhrendickicht .
Bildrechte: Stadt Gelsenkirchen Thomas Robbin
Norbert Kricke - Röhrendickicht.
Zum Objekt
Links neben dem Hauptbau befindet sich vom Vorplatz aus gesehen das Kleine Haus des Gelsenkirchener Musiktheaters. Mit seinen dunkelgrauen Natursteinplatten hebt sich dieser Baukörper deutlich von der transparenten Front des Großen Hauses ab. Am oberen, auf einer Pfeilerzone aufliegenden Teil der Fassade, befindet sich eine Arbeit des Düsseldorfer Künstlers Norbert Kricke. Die von ihm horizontal übereinandergesetzten Stahlrohre nehmen nahezu die gesamte Breite der geschlossenen Wandzone ein. Länge und Positionierung der einzelnen Rundstäbe variieren, so dass ein unregelmäßiges Gebilde entsteht, welches in seiner Gesamtform abgehackt wirkt, ähnlich einer waagerecht gezeichneten seismografischen Kurve. Dem Blick des Betrachters wird somit kein Ruhepunkt gewährt, sondern vielmehr abverlangt der hektischen, raumgreifenden Bewegtheit zu folgen.
Eine gewisse Symmetrie und Ausgewogenheit findet sich durch die Zweiteilung der Reliefskulptur. Fast unmerklich befindet sich inmitten des Röhrengebildes eine Zäsur, eine freie Linie, die den Verlauf unterbricht. Oberes und unteres Geflecht ähneln sich in der Aufteilung ohne identisch zu sein. Zudem ist das untere Stahlkonstrukt näher an der Wand angebracht als das Obere.
Die Reihung von Rundstäben zu reliefhaften „Flächenbahnen“ wie sie hier zu sehen ist, findet sich bei Kricke seit Mitte der 1950er Jahre. Durch die Kleinteiligkeit der Stahlrohre und der ungebärdeten Anordnung entziehen sich Raum und Fläche einer klaren Greif- und Definierbarkeit. Die Gestaltung erhält eine ruppige Dynamik, die die strenge Architektur deutlich belebt.
Zum Künstler
Norbert Kricke absolvierte seine Ausbildung an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin unter Richard Scheibe. Erste Raumplastiken entstanden Ende der 1940er Jahre und verweisen bereits auf die für ihn charakteristische Auseinandersetzung mit linearen Formen zur dynamischen Gestaltung von Raum. Seine Arbeiten stehen in der Tradition von Konstruktivisten wie Naum Gabo und Antoine Pevsner. Enge Beziehungen unterhielt er zur Künstlergruppe ZERO und den französischen Künstlern des Nouveau Réalisme. Ab 1955 erhielt Kricke international Aufträge zur Ausgestaltung öffentlicher Räume, beispielsweise in Münster sowie in Bagdad und Los Angeles. 1964 übernahm er eine Professur für Bildhauerei an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, der er ab 1972 für zehn Jahre als Direktor vorstand.
Hintergrund
Für den Platz vor dem Kleinen Haus des Gelsenkirchener Musiktheaters war ursprünglich von Kricke selbst ein „Wasserwald“ vorgesehen, der zu den Horizontalen der Flächenbahnen einen deutlichen Vertikalkontrast gebildet hätte. In fünf zwischen fünf und sechs Meter hohen Plexiglaszylindern sollte ihm zu Folge ständig Wasser aufsteigen, um an der Oberfläche als dünner Film herunterzugleiten. Während in Gelsenkirchen die Umsetzung eines solchen „Wasserreliefs“ aufgrund von technischen Schwierigkeiten unterblieb, wurde es in anderen Städten, beispielsweise in Düsseldorf, realisiert.