Gräsel, Friedrich - Ohne Titel
Skulptur,
1996
Bildrechte: Sabine Fiereck
Friedrich Gräsel - Ohne Titel.
Zum Objekt
In dem gleichen Zeitraum, in dem Friedrich Gräsel das „Europator“ für den Gelsenkirchener Nordsternpark entwarf, entwickelte der Bochumer Bildhauer und Maler auch diese Torskulptur für den Bürgerplatz im Stadtteil Bismarck. Material und Formgebung der beiden genannten Objekte sind gut miteinander vergleichbar und verweisen darüber hinaus auf charakteristische Eigenschaften des skulpturalen Werks Gräsels seit den 1960er Jahren. Als besonders typische Merkmale sind dabei die Verwendung industriell gefertigter Stahlrohre und die zumeist verwinkelte Anordnung des durch die Rohrform vorgegebenen runden Volumens zu nennen.
Hier wie auch auf dem Europaplatz im Nordsternpark dominiert ein großer, rechteckiger Torrahmen aus Edelstahlrohren die Plastik. Unterschiede zeigen sich dagegen in der Ausgestaltung der seitlichen Abschlusspartien. In diesen Bereichen scheint die Plastik auf dem Bürgerplatz ein auf die örtlichen Begebenheiten eingehendes Eigenleben zu entwickeln. So lässt Gräsel eine Seite des „Tores“ auf die den Rasen zum Asphalt abgrenzenden Einfriedungsmauer aufliegen, wodurch das leichte Gefälle der Betonmauer deutlicher hervortritt. Auf der gegenüberliegenden Seite läuft der Torbogen in eine verkleinerte, schräg-dynamische Variante des Tormotivs aus.
Indem die Skulptur deutlich Bezug auf den Aufstellungsort nimmt, gelingt es ihr eine Verbindung zwischen den zwei unterschiedlich gestalteten Bereichen des Bürgerplatzes herzustellen. Das Tor akzentuiert diesen Ort, hebt das Besondere dieser einen Stelle hervor und bietet die Möglichkeit der durchaus spielerischen Aneignung durch den Betrachter: ob er hindurchgeht, hindurchblickt und eine gerahmte Platzansicht erhält, durch das „Kindertor“ hindurchschlüpft oder sich auf die modulgroße Tonne davor stellt - es ist eine Skulptur, die Themen wie Industrie, Urbanität, Raum und Funktion aufgreift und gleichzeitig ganz nahbar zu konkreten Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten einlädt.
Zum Künstler
Der bekannte Bochumer Künstler Friedrich Gräsel studierte an den Staatlichen Kunsthochschulen in München und Hamburg und lehrte selbst ab den 1970er Jahren an verschiedenen Hochschulen, u.a. in Essen und Kairo. Professor Gräsel ist Träger vieler nationaler und internationaler Auszeichnungen und ist seit 1966 mit seinen plastischen Arbeiten auf zahlreichen Ausstellungen vertreten.
Typisch für Gräsels Arbeiten ist die Verwendung der Röhre aus Asbestzement oder Stahl, die er zu plastischen Kompositionen formiert. „Durch die Wahl von Material, Form und Konstruktionsprinzip, durch Einsatzbereich der künstlerischen Aktivität und Bestimmungsort des Kunstwerkes, wie schließlich auch die Einbeziehung des künstlerischen Produktionsprozesses in den industriellen Produktionsprozeß, die das Atelier in den Industriebetrieb verlegt, strebt Gräsel sehr konsequent und überzeugend eine angemessene Neubestimmung von Kunst und Künstler in der Industriegesellschaft an.“ (Jürgen Morschel)
Hintergrund
Friedrich Gräsel schuf 1964 seine ersten Röhrenmontagen, die er sukzessive weiterentwickelte. Die Anordnung zu Torsituationen wurde für ihn insbesondere in den neunziger Jahren zu einem bevorzugten Motiv. Vergleichbare Beispiele zu den Gelsenkirchener Torobjekten finden sich z.B. in Essen und Sendenhorst.