Jüttner, Heinrich - REBO-webiseima
kinetische Skulptur,
2006
Bildrechte: ujesko fotografie
Bildrechte: ujesko fotografie
Bildrechte: ujesko fotografie
Zum Objekt
Seit dem 9. Januar 2006 ist [...] unmittelbar rechts neben dem Haus an der Cranger 36 das Kunstobjekt zu sehen, das Heinrich Jüttner für Werner Bibl geschaffen hat: Auf die 9 m lange und 1,80 m hohe Kalkstandstein-Mauer sind 9 Alu-Tafeln von je 93 x 150 cm mit retroreflektierender Kunststoff-Folie, in den 9 Farben der Jüttnerschen REBO-Palette von links nach rechts aneinandergereiht, platziert worden. Diesen Farbflächen sind in einem Abstand von 15 cm schwarze Gitterroste mit einer Maschenweite von je 3 x 3 cm vorgelagert.
Am besten erschließt man sich das kinetische Objekt mit einem Spaziergang aus verschiedenen Richtungen über die Zebrastreifen der Kreuzung, denn es ist eine Art „Black Box“. Sie öffnet sich nur, wenn der Betrachter sie in den Blick nimmt. Je nachdem, ob er daran entlang geht, fährt, sich frontal nähert oder davor steht und nur seinen Kopf bewegt - immer verändert sich etwas im ständigen Wechselspiel der Farben durch Licht und Bewegung. Darüber hinaus entstehen zusätzliche visuelle Reize durch Veränderungen des natürlichen und künstlichen Lichteinfalls zu den verschiedenen Tages- und Jahreszeiten. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
[Werner Bibl in der Projekt-Dokumentation von Heinrich Jüttner: REBO-webiseima]
Zum Künstler
Der Schriftsetzermeister und Grafiker Heinrich Jüttner ist seit seiner Schulzeit künstlerisch tätig. Er beschäftigt sich besonders mit Materialobjekten, für die er verwertet, was er wo auch immer findet - sei es draußen in der Natur, am Arbeitsplatz in der Druckerei oder zu Hause in der Wohnung: Weggeworfenes, Abfall, Müll, Unrat, wertloses Zeug … Er „recycelt“ diese Fundstücke (bevorzugt aus Holz, Papier oder Karton) sozusagen in einem „künstlerischen Prozess“ und gestaltet sie zu feinsinnigen Bildern und Objekten. Manchmal kombiniert er sie auch mit Massenprodukten aus Plastik, Kunststoff oder Aluminium z. B. für Werbemittel. Stets werden jedoch die Formen des vorgefundenen banalen Materials behutsam von ihm bearbeitet und mit Hilfe von neun Farben aus dem Spektrum des Regenbogens akzentuiert oder seriell arrangiert. Durch die konstruktive Anordnung von Formen und Farben, des „REBO-cycling“, wie Heinrich Jüttner seine Kunst, mit der er sich seit 1976 beschäftigt, selbst nennt, gibt er dem „wertlosen Zeug“ wieder Struktur und „Bedeutung“ und stiftet so für den einzelnen Betrachter wie auch für das Gemeinwesen den (immateriellen) Wert des ästhetischen Nutzens.
Heinrich Jüttners Markenzeichen ist der Regenbogen mit seinem unendlichen Farbspektrum. Jedoch hat er die neun Farben und ihre Namen für „seine Palette“ der Produktpalette farbiger Papiere PAPAGO entnommen: purpurrot - orangerot - maisgold - schwefelgelb - froschgrün - petrol - azurblau - meerblau - violett. Sie sind das wesentliche Gestaltungselement für seine künstlerische Arbeit. Ob er seine Farben nun auf einzelne Späne eines Spanplattenbrockens aufträgt oder farbige Papiere zu einem Keil bündelt, um ihn in den Spalt einer Baumscheibe zu klemmen: immer bestimmt der Regenbogen das Bild. Denn er arbeitet konsequent nach den Regeln der konstruktiven Kunst und plant seine Bilder und Objekte rational.
[Werner Bibl in der Projekt-Dokumentation von Heinrich Jüttner: REBO-webiseima]
Hintergrund
Mauern schirmen private Häuser und Gärten vor der Öffentlichkeit ab. […] Weil das Abweisen und Fernhalten Dritter ihr einziger Zweck ist, sind Mauern für die Passanten zumeist öde und langweilig. […] Dass es auch anders geht, kann am Grundstück Cranger Straße 36 in Gelsenkirchen-Buer besichtigt werden. Werner Bibl, der Eigentümer, hat einen maroden Lamellenzaun, der die Außenwand einer Kalksandsteinmauer kaschierte, nicht mehr restaurieren, sondern kurzerhand entfernen lassen. Stattdessen sollte ein Künstler die Wand gestalten, um einen besonderen Akzent im öffentlichen Raum zu setzen und etwas von der Geschichte und vom Geist des Hauses nach außen zu vermitteln.
Juettner_REBO5Als Werner Bibl 1995 das Anwesen erwarb, wusste der kunstsinnige Kaufmann genau, worauf er sich einließ. Er befasste sich intensiv mit der Vorgeschichte und den Vorbesitzern […], nach deren Vorstellungen die Vorstandsvilla 1973 von der Firma Eisen und Metall AG gebaut worden war. Vor allem spürte er den ästhetischen Prinzipien und Intentionen des Architekten Peter Forth (1940 - 1987) nach. […] 1973 war das Haus fertig. Ebenso der Garten, für den der Landschaftsgärtner Peter Schmidt in enger Abstimmung mit dem Architekten Peter Forth den Bepflanzungs- und Wegeplan entwickelt und Kuno Gonschior ein großes Wandobjekt gestaltet hatte. In diesem „integrierten Gesamtkunstwerk“ konnten die Liebhaber konkreter Kunst nicht nur sammeln, sondern auch angemessen präsentieren.
Werner Bibl hat sich das Haus in 10 Jahren vertraut gemacht. Er identifiziert sich mit seinem Geist und seiner Geschichte und fühlt sich dafür verantwortlich. Muss etwas geändert oder erweitert werden, achtet er sorgfältig darauf, dass dies im Sinne des Baumeisters Peter Forth geschieht und seiner Idee von der „Situation Kunst“ als Symbiose von Architektur, Natur und Kunst gerecht wird. [...]
[H. Peter Rose: Wie ein Regenbogen auf die Mauer kam … in der Projekt-Dokumentation von Heinrich Jüttner: REBO-webiseima]