In den 1950er Jahren gelang der SPD der Aufstieg zur dominanten Partei im Ruhrgebiet und in Gelsenkirchen in erster Linie, weil sie ein regionales Politikmodell entwickeln konnte. Die Ruhr-SPD und ihr gewerkschaftliches Vorfeld wurde in gewisser Weise Ausdruck der kollektiven Erfahrungen der "kleinen Leute" in den Industriestadtteilen des Ruhrgebiets und deren Interessenvertreter, indem sie deren Anspruch auf Gerechtigkeit und soziale Sicherheit artikulierte. Das Modell lokaler Politik im Ruhrgebiet entstand in der spezifischen Nachkriegssituation, als der betrieblichen Ebene angesichts der Lähmung aller anderen Institutionen eine besondere Bedeutung zukam. Die Versorgung der Belegschaften und ihrer Familien und die Lösung vieler praktischer Probleme in der Zeit der Not bildete die Basis für das Vertrauen der von den Montanbetrieben abhängigen Bevölkerung in die Betriebsräte. In den Betriebsräten, mit denen die wichtigen alltäglichen Aufgaben verbunden waren, erlangten gerade die Sozialdemokraten bald erheblichen Einfluss.
In den 1950er Jahren boten die Strukturen der Montanmitbestimmung mannigfache Möglichkeiten der konkreten Vertretung von Arbeiterinteressen. In Gestalt von Betriebsräten, Aufsichtsräten, Sozial- und Arbeitsdirektoren, Gewerkschaftsfunktionären, Kommunalpolitikern, Grubenkontrolleuren, Knappschaftsältesten und Funktionären in sozialdemokratischen und lagerübergreifenden Freizeitorganisationen formte sich das Politikmodell der basisnahen Interessenvertretung für große Teile der Bevölkerung. Die bedeutende Rolle der Betriebsräte und Gewerkschafter wurde noch gesteigert, indem oft dieselben Personen in der Kommunalpolitik (z.B. als Stadtverordnete) aktiv wurden und auch für Mandate im Landtag oder im Bundestag kandidierten. Über ein Netz von basisnahen Einrichtungen und Strukturen setzte sich die SPD weniger als Volkspartei denn als Milieupartei der Ruhrgebietsbevölkerung bzw. der Industriearbeiterschaft und ihrer Familien im Revier durch. Struktureller Hintergrund war eine von der bundesrepublikanischen abweichende Entwicklung: Zum einen blieb das Ruhrgebiet im Vergleich zum Bundesgebiet eine traditionelle Arbeiterregion, in der durchaus Reste des Klassengegensatzes, wenn auch in befriedeter Form, erfahrbar waren. Zum anderen führte die frühzeitige Krise der Schlüsselbranche der Ruhrindustrie zu einer von der Geschichte der Bundesrepublik partiell abgekoppelten Entwicklung: Im Ruhrgebiet fand das "Wirtschaftswunder" nicht so statt wie in der Bundesrepublik, hier musste man sich seit 1958 ernste Gedanken über die Zukunft des Steinkohlenbergbaus machen und Zehntausende Ruhrbergarbeiter verloren ihren bisherigen Arbeitsplatz, mussten. Sie mussten sich neu orientieren und mindestens vorübergehend mit Gedanken an erneute soziale Not leben - davon waren letztlich mehrere hunderttausend Menschen im Ruhrgebiet mehr oder weniger direkt betroffen.