Im Raum Gelsenkirchen hatte sich also wie im Ruhrgebiet insgesamt bis zum Ersten Weltkrieg eine "politisierte Sozialstruktur" herausgebildet, die vor allem der Konfessions- und der Klassenlinie sowie ethnischen Differenzierungen folgte und sich auf getrennte Kommunikations- und Organisationsstrukturen stützte. Die vier politischen Lager verfügten also jeweils über ein ausgebautes Netz von Umfeldorganisationen, die mobilisierend und integrierend wirkten. Die Lagerbildung lässt sich an den Wahlergebnissen beobachten. Da nur die Reichstagswahlen nach einem allgemeinen, gleichen Männerwahlrecht vorgenommen wurden, während die anderen Wahlen nach dem undemokratischen Dreiklassenwahlrecht durchgeführt wurden, sind nur die Reichstagswahlergebnisse für eine Beurteilung der Stärke der vier politischen Lager geeignet. Das Gebiet der heutigen Stadt Gelsenkirchen gehörte im Süden bis zur Emscher zum Wahlkreis Bochum-Gelsenkichen und im Norden zum Wahlkreis Recklinghausen-Borken.
Für eine stark von der Arbeiterschaft geprägte Region wie das Ruhrgebiet ist die relative Schwäche der Sozialdemokratie bemerkenswert. Sie konkurrierte um die Arbeiterwähler mit dem Sozialkatholizismus, mit den Kandidaten der polnischen Arbeiterschaft und schließlich mit den Nationalliberalen. Diese konnten mit einem relativ unbekannten protestantischen Arbeiter als Kandidaten sogar 1912 den Bochum-Gelsenkirchener Wahlkreis von der Sozialdemokratie zurückerobern - und das gegen Otto Hue, einen der bekanntesten Bergarbeiter-Gewerkschafter. Der Einbruch des Zentrums 1893 im Reichstagswahlkreis Recklinghausen-Borken ist auf Auseinandersetzungen im Zentrum zurückzuführen, als ein Arbeiterkandidat und ein bürgerlicher Kandidat beim Zentrum gegeneinander antraten und der Arbeiterkandidat gewählt wurde.